Peter Weibel – Polykontexturalität in reaktiver Medienkunst
Das Duoversum Raumbild Bildraum und die Pluralisierung der Bildräume
Thomas Dreher
[in: Romana Schuler [Hg.], Peter Weibel. Bildwelten 1982–1996, Wien: Triton, 1996, S. 33–62]
Nacheinander standen in Peter Weibels Œuvre die Bildmedien Kino, Video und computergestützte Bildverarbeitung im Zentrum. Seine Kinokritik der sechziger Jahre war aktionistisch geprägt: Künstlerische Aktionen provozierten Reaktionen des Publikums. Seit den siebziger Jahren werden von Weibel Konzepte für reaktive Installationen mit Bildmedien erarbeitet und realisiert: Aus dem aktionistischen, institutionelle Rahmenbedingungen sprengenden Ansatz wird eine an Möglichkeiten zum Wandel orientierte Kritik der Institutionalisierung von Medien und Medienöffentlichkeit. Kein europäischer Multi und Intermediakünstler hat Medienkritik so konsequent mit dem Technologiewandel über drei Jahrzehnte aktualisiert und auf reaktive Installationen zugeschnitten wie Weibel.(1)
I. Expanded Cinema
EXIT
Während des „ersten europäischen treffens unabhängiger filmemacher“ 1968 in München hält Peter Weibel auf der Bühne der „AugustaLichtspiele“ eine Rede.(2) Er spricht über die Emanzipation des Lichtes von seiner Domestizierung als Bildmedium in dem „beweglichen Lichtbild“ des Films. Das von lichtlenkenden Medien befreite Licht stellt Weibel als Welt verändernde Kraft vor. Simultan werden Filme auf einen Schirm aus Aluminiumfolie projiziert. Valie Export, Kurt Kren, Hans Scheugl, Gottfried Schlemmer und Ernst Schmidt jr. durchschießen die Leinwand mit Feuerkugeln und bedrohen das Publikum physisch mit Rauchkörpern, Raketen u. a. Die Verwendung von Licht in Lichtspielen wird aktionistisch entbildlicht. Im Feuer kommt das für Bildfunktionen entfremdete Licht wieder zu sich. Der passive Voyeur im Kinosessel wird aus seinen Erwartungen an Spielfilme gerissen und zum Handeln gezwungen: Er muß entscheiden, ob er mit Gegenwehr oder Flucht reagiert. Auf der Bühne werden Bildwelten der simulierten Gewalt überraschend real durch Gewalt, die sich zugleich gegen Simulation und Publikum richtet – und das Münchner Publikum läßt sich ohne Gegenwehr aus dem Lichtpalast werfen.
Cover der Filmzeitschrift Film, Hannover, Nov. 1969. Gestaltet von Peter
Weibel anläßlich der seinem Expanded Cinema gewidmeten Ausgabe
Beobachtung der Beobachtung: Unbestimmtheit, 1973
II. Video
CLOSED CIRCUITS
Die Beobachtersituation wird in Weibels Closed Circuits mit mehreren Kameras vielschichtig:
Ein Beziehungsfeld wird eröffnet zwischen
• der Kamera als in das Werk integrierter Beobachter,
• dem Beobachter vor dem Monitor, der sieht, wie ihn eine der Kameras sieht, und
• einem Beobachter außerhalb des Closed Circuit, der sieht, wie ein Beobachter im Circuit beobachtet, wie er von einer Kamera beobachtet wird.
Die Rekonstruktion dieses Beziehungsfeldes muß sich auf die Komplexität von Beziehungsfolgen (Beziehungsbeziehungen) einlassen. Weibel folgt einer Tendenz zum „cult of the difficult“, der einen „cult of the direct“, die Reduktion auf das unmittelbar Anschaulich-Visuelle durch Exklusion mitteilender Zeichenfunktionen, ablöst. Das von dem modernistischen Kritiker Clement Greenberg deklarierte Ziel künstlerischer Entwicklung war, zu unmittelbarer Anschauung in einem von Fremdbezügen befreiten visuellen Medium zu gelangen.(3) Der Eindruck eines „cult of the difficult“ entstand in den sechziger Jahren, als Künstler zu Fragen nach künstlerischen Konzepten durch Präsentationsformen provozierten, die mit den etablierten Kunstgattungen Malerei und Skulptur wenig bis nichts zu tun hatten. Multi- und Intermedia-Präsentationsformen enthielten mitteilende Zeichenfunktionen aller Art. So stellte das Monitorbild in Closed Circuits die Kameraumgebung dar.
Installationen in Kunstausstellungen, die ein filmisches Medium, die Kamera, und einen Monitor wie im Heimkino Fernsehen verwenden, enthalten ein dreifaches Bezugsfeld: Museum, Film und Fernsehen. Vor diesem dreifachen Bezugsfeld erscheint dem Beobachter die Situation in der Installation problematisch. Die Installation wird dem Beobachter zum Modellfall für die Relation Beobachtung/Kontext des Beobachteten. Die Installation schafft einen werkinternen Kontext zwischen Elementen aus werkextern institutionalisierten Kontexten und provoziert durch die Brechungen zwischen Kamerabeobachtung, werk-
Der Traum vom gleichen Bewußtsein aller, 1979
interner und werkexterner Beobachtung, den so geschaffenen Werkkontext als Modellfall für „Beobachtungsoperationen“ zu verstehen. Raumwahrnehmung, Bildsystem und Beobachtungsoperation sind in Weibels Closed Circuits miteinander verzahnt. Die Konzeptualisierung dieser Verzahnung ermöglicht eine kontextreflexive Beobachterhaltung. Die Beobachtermodelle konzeptuell orientierter Closed Circuits relativieren ihre Verbindung zum jeweiligen Ausstellungskontext und zu den Kontexten Kunst, Film und Fernsehen, indem sie Beobachtungsprobleme systematisieren: sie sind kontextreflexiv und kontextspezifisch zugleich.
Beobachtung der Beobachtung: Unbestimmtheit von 1973(4) ist ein komplexes beobachterzentriertes System. Drei Kameras sind mit je einem Monitor verbunden. Auf dem Boden ist ein Kreis aufgezeichnet, auf dem Kameras und Monitore stehen. Die Schnittpunkte der ebenfalls aufgezeichneten Linien zwischen Monitoren und Kameras bilden die Außenkanten eines Innenkreises. Der Beobachter im Innenkreis sieht auf einem Monitor vor sich, was eine Kamera hinter ihm von seiner Rückseite sieht. Welche Kamera mit welchem Monitor zusammengeschaltet ist, erkennt der Beobachter
• entweder von einem installationsinternen Standort, dann beobachten ihn auch schon die Kameras
• oder von einem externen Standort sowohl an Hand von Merkmalen des Ausstellungsraumes, die auf den Monitoren wiederkehren, als auch mittels Beobachtung anderer interner Beobachter.
Der werkinterne Beobachter sieht sich durch Kameras und durch externe Beobachter beobachtet. Der Beobachter schließt vom jeweiligen Monitorbild – von dem, was von ihm gesehen wird – auf den Standort des Bilddaten liefernden Spions, die Kamera.
Der Rezipient kann die Kamera-Beobachtung an die Selbstverortung im Funktionszusammenhang der Installation rückkoppeln. Die Alternative zu einer selbstbezüglichen, reflexiven Haltung ist, sich einer Mischung aus Faszination und Angst vor dem unbekannten Fremden, dem anderen Auge der Kamera, zu überlassen. Die zweite Rezeptionsmöglichkeit wird
Imaginärer Würfel (Kalter Kubus), 1980 (Foto: 1990)
durch die auf Anhieb nicht durchschaubare räumliche Überlagerung dreier Schaltkreise erleichtert.
Der Beobachter wird von Weibel ab 1979 in die Konzepte reaktiver Installationen integriert, die zwei Kamera-Inputs über einen Mischer für einen Monitor-Output kombinieren – so 1979 in zwei Teilen des Triptychons Der Traum vom gleichen Bewußtsein aller, 1979/80 in Imaginärer Tetraeder und 1980 in Kalter Kubus.(5) Eine sich über Boden und Wände erstreckende Zeichnung aus schwarzen oder weißen Linien wird von einem Kamerastandpunkt perspektivisch so ver- bzw. entzerrt, daß auf dem Monitor die Zeichnung eines geo- oder stereometrischen Körpers erscheint. Der Beobachter, der diesen Prozeß zu rekonstruieren versucht, muß erkennen, daß die Bodenzeichnung
1. bei Imaginärer Tetraeder und Kalter Kubus nur Fragmente der Linienfigur liefert, die auf dem Monitor zu sehen ist;
2. im zweiten Teil von Der Traum vom gleichen Bewußtsein aller das Monitorabbild seines Körpers im Raum nicht Teile der Bodenzeichnung abdeckt, obwohl sie vom Kamerastandpunkt aus verdeckt werden.
Eine zweite Kamera erhält in jeder der drei Installationen von einem Bild an der Wand (Zeichnung bei 1. und Polaroidfoto von Zeichnung bei 2.) den Input, der die dem Beobachter bei der Rekonstruktion der Relation Raumzeichnung/erste Kamera/Monitorbild fehlenden Teile liefert. In 1. kann die Zeichnung auf einem Blatt als von der Raumzeichnung ergänzt – und umgekehrt: die Raumzeichnung als von der Zeichnung auf Papier ergänzt – rekonstruiert werden.
In 2. wird der Beobachter hingewiesen auf die Duplizität der Kreisprojektionen
Skizze zu Imaginärer Würfel, 1980
• von dem trotz Beobachterintervention ununterbrochenen Kreis auf dem Monitorbild,
• von der als schwarzer Strich im Monitorbild wiedergegebenen weißen Kreidelinie im Raum,
• von dem Monitorbild einer Hand, die einen Griffel auf dem Kreis führt.(6)
Das Konzept der Kombination zweier Kameras mit einem Mischer variiert Weibel in fünf weiteren Installationen, die in diesem Band dokumentiert sind.(7)
BEOBACHTUNG DER BEOBACHTUNG
Der Beobachter von Closed Circuit-Installationen wird zum Teil des „Circuits“, zum „internen Beobachter“.(8) Der Beobachter wird in die Relation zwischen räumlichem Kontext und der jeweiligen Anwendung der Schaltkreis-Logik – einer Kybernetik erster Ordnung – verstrickt. Die Zusammenhänge zwischen den durch Aktionen vor Ort erzeugbaren Monitorreaktionen sind durch Rekonstruktion der Schaltkreis-Verbindungen erschließbar. Durch „Beobachtung von Beobachtungen“ auf der Ebene der Kybernetik zweiter Ordnung werden Ortsbezug (Aktionskontext), Schaltkreisbezug (elektronischer Kontext) und Semantik des Monitor-Outputs (Zeichen- und Bedeutungskontext) verknüpfbar. Die Zusammenhänge zwischen „Beobachtungsoperationen“ und Werkssystem sind im Rückbezug auf „Beobachtung von Beobachtungen“ (re-)konstruierbar.(9)
Die Selbstverortung im Realraum geschieht via Generierung von Raumvorstellungen: Raumbilder erscheinen vor einem mentalen Schirm. Diese Raumbilder weist Weibel als von Bildräumen manipulierbare Zeichenwelten aus: „Design statt Sein.“(10) Selbstverortung im Realraum und Bildzeichen des Selbst auf dem Monitor stehen für den Beobachter von Weibels Closed Circuits in einem wechselseitigen Zusammenhang. Der Beobachter kann versuchen, in seine Selbstverortung im Realraum das Monitorbild zu integrieren, das jedoch einen desintegrierenden Rückkoppelungseffekt erzeugt: Der Realraum erscheint im Bildraum vermittelt auf eine andere Ebene, die rückwirkend Reales als Imaginäres ausweist.
In den Installationen von 1979/80 wird das Beobachterbild auf dem Monitor in die Raum-Bild-Verteilung der Installation nicht bruchlos eingebettet: Das Beobachterbild wird dem Beobachter zum fragmentierten Spiegelbild. Der Monitorbildraum wird ein Zwitter aus Icon und Index, aus elektronischer Reproduktion des Sichtbaren (Icon) und einem Bild, das implizit zur Decodierung der nicht sichtbaren räumlichen Zusammenhänge auffordert (Index). Der Bildraum wird durch grafische Zeichen in und über (eingeblendet über die zweite Bildquelle/Kamera) dem perspektivisch verzerrten Videoraumbild zum Zeichenraum. Die „Zweitheit“ Raumbild-Bildraum ist konzeptuell/mental aufschließbar von einer vermittelnden „Drittheit“ der theoretischen Beobachtung. Die endgültige Aufhebung der „Zweitheit“ in einem mit sich identischen neuen Dritten würde eine Schließung eines mentalen Bildgenerierungsprozesses zur Folge haben, dessen Offenheit jedoch zur Verarbeitung von Umweltwahrnehmung brauchbar ist.(11) Der prozessuale Rekurs von Umweltwahrnehmung auf „Beobachtung von Beobachtungen“ führt die Selbstorientierung im bildmediatisierten Installationsort: Die Konzeptualisierung in „Beobachtung von Beobachtungen“, von „Selbstbeobachtung“, leitet die Kontexterschließung durch „Beobachtungsoperationen“. Fremdreferenz (Handlung/Operation) wird in Selbst-Selbstreferenz („Beobachtung von Beobachtungen“) eincodiert. Selbst-Selbstreferenz erweist sich als Selbst-Fremd-Selbstreferenz (Beobachtungsoperation-Beobachteroperation-Beobachtungsoperation) offen für Fremdreferenz.(12) Die Relationen des Zeichen-/Bildraums zu dem Raumbild, das sich der Beobachter vom Realraum bildet, werden nicht in einer finalen „Drittheit“ aufgelöst, sondern temporalisiert in „Zweitheit“(13) nicht abschließende „Drittheiten“.
Der Schaltkreis eines Closed Circuit und ein Beobachter können beide fähig sein, Umweltdaten in ihren Selbst-Selbstbezug zu integrieren: Zwei Selbst-Fremd-Selbstbezug-Beobachtungssysteme, das des Rezipienten und das des Closed Circuit, durchdringen sich. Der Schaltkreis des Closed Circuit kann jedoch Fremdes nur innerhalb eines statischen Systems integrieren, während der Beobachter neue Umweltdaten für Rekonzeptualisierungen dynamischer Denksysteme verwenden kann.
Die Videoinstallation ist ein statisches Beobachtungssystem, das unterhalb der Komplexität der Prozessierung von Weltkonzepten des Beobachters operiert – und ist gerade deshalb für ihn brauchbar: Es ist Teil der beobachtbaren und betretbaren Welt und dennoch angelegt auf Konzeptualisierung auf einer sich der „internen Beobachtung“ entziehenden Meta-Ebene.
Die Bildebene hat in Imaginärer Tetraeder, Kalter Kubus und anderen Videoinstallationen von Weibel durch den Mischer und den doppelten Kamera-Input einen autonomen Status erhalten. Die durch die Kamera-Doppelung verzweigte Referenz auf Umwelt(en) wird in eine Referenz auf Bildwelt gekehrt. Die Spaltung des Raumbildes in Raum und Zeichnung resultiert in einem Monitorbildraum, der Freiräume öffnet für psychische Projektionen des Beobachters. Eine Spaltung zwischen der Selbstverortung als Körpertotalität in einem Raumkontinuum und der (Nicht-)Wiedererkennung des Selbst im diskontinuierlichen Bildraum mit Körperfragmenten entsteht. Der diskontinuierliche Bildraum, den das Monitor-Bildkontinuum repräsentiert, erzeugt eine diskontinuierliche Sicht auf das Raumkontinuum.
In konzeptualisierender Beobachtung ist die Relation „kontinuierliches Raumbild des Realraums – diskontinuierlicher Bildraum im Monitorbildkontinuum“ reflektierbar. Psychischer Effekt der Diskontinuierung des Raumkontinuums und Konzeptualisierung der Relation „Kontinuum – Diskontinuum“ bilden ein Spannungsverhältnis. Diese Relation aus psychischer Diskontinuierung und reflexiver Rekonstruktion des Schaltkreises – aus psychischer Dissoziation des Selbst und reflexiver Rekonstituierung – ist nicht nur eine „implizite“ Beobachtersituation der Closed Circuits, sondern der Beobachter ist auch in ihren Schaltkreisfunktionen „intern“ vorgesehen: „impliziter“ und „interner Beobachter“ (s.u. S. 46). Die Beobachtersituationen von Kameras, implizitem „internem“ und „externem Beobachter“ sind miteinander verschränkt. In konzeptueller Beobachtung werden die zweifachen Innen-/Außen-„Schnittstellen“ Kameras/“impliziter interner Beobachter“ und „impliziter interner“/“externer Beobachter“ reflektierbar. Explizierbar wird in konzeptueller Beobachtung nicht nur diese doppelte Beobachterverschränkung, sondern auch, wie weit diese „implizite“ Beobachtersituation im Schaltkreis „intern“ antizipiert ist.
DER SUBLIME INTERDISKURS
Das andere, der Blick der Kamera in der Installation Beobachtung der Beobachtung: Unbestimmtheit, kann in der Beobachterprojektion (vor dem mentalen Bildschirm des Rezipienten) zum mit Bewußtsein ausgestatteten Sehenden werden. Dann beobachtet ein Selbst sich in gespaltener Selbstprojektion durch das andere, als belebt beobachtete mechanische Auge. Der Beobachter erfährt sich als Fremder, da die Monitorbilder das Selbst aus dem Blickwinkel dreier Kameras vorführen. Die Kameras erscheinen als Andere, die das Selbst mit den Blicken verfolgen und ihm gleichzeitig vorführen, was sie von ihm sehen.(14)
Die Projektion der verfolgenden Kameras wird erleichtert durch die sich an wechselnde Beobachterpositionen anpassenden Monitorbilder: Wo immer der Beobachter steht, er sieht auf dem Monitor/vor ihm immer das Bild seiner Rückseite – als verändere auch die Kamera ihre Position mit dem Beobachter. Das andere (Nicht-)Selbst(15) ist eine psychische Projektion, die an das Selbst über den Einbau bewußter Konzeptualisierungen rückkoppelbar ist – doch im Verlauf dieser (Re-)Konzeptualisierungsprozesse hat auch die Eigendynamik psychischer Prozesse Zeit, sich wieder zu entfalten: Die Kamera kann unversehens wieder in der mentalen Projektion zum Spion werden, der dem Selbst folgt als an ihm haftender Beobachter. Der Spion sieht anderes, als das Selbst von sich als Spiegelbild zu sehen erwartet, also etwas Fremdes. Ist der Eindruck der Begegnung mit dem Selbst als Fremdem, wenn er durch Reflexion nicht entschärft werden kann, die Folge von Projektionen, von Verdrängung in die Außenwelt, von Ausstoßung?
Die rationale Auflösung der „Diskurse der Universität“ (wissensbezogene Rationalisierung) und der „Psychoanalyse“ (beobachterbezogene Rationalisierung)(16) reduzieren den situativen Reiz auf Kontrollierbares und „verneinen“ psychische „Projektionen“, in denen die Kamera zum unvorhersehbar sich verhaltenden Beobachter, zur Begegnung mit dem Unbekannten (in uns, weil Resultat einer psychischen „Projektion“), wird: „La fonction symbolique sera donc dissociée [vermittels des Verneinungssymbols] de tout plaisir, opposée a lui et constituée comme le lieu paternel, le lieu de surmoi.“(17) „Verneinung“ ermöglicht es dem „Denken“, „sich von den Einschränkungen der Verdrängung“ frei zu machen. Die „Projektionen“ der Kamera als „Spion“ können im „Diskurs der Psychonanalyse“, der das Problem der „Mehrlust“ („a“, „e plus-de-jouir“) im Unterschied zum „Diskurs der Universität“ nicht ausschließt, als psychische Vorgänge bejaht werden. Die „Projektionen“ müssen im „Diskurs der Psychoanalyse“ nicht mehr umgeformt werden in eine solche Vorstellungen ausschließende, rein rationale Konzeption. Doch kann diese Bejahung psychologischer Prozesse nicht die psychische Energie wieder herstellen, die vorher gerade über die „Verdrängung“ der Angst vor dem „Über-Ich“ das „Imaginäre“ bestimmen konnte. Aus der psychischen Energie des Imaginären ist im „Diskurs der Psychoanalyse“ eine Zeichenwelt geworden: „La seule façon de réagir contre les conséquences du refoulement imposé sous la contrainte du principe de plaisir, sera de renoncer au plaisir par le moyen de la symbolisation, par l’institution du signe à travers l’absence de l’objet repoussé et à jamais perdu.“(18)
Der „Diskurs der Psychoanalyse“ setzt hinter dem Bewußtsein des Beobachters immer schon Geschehenes voraus,(19) das vom Bewußtsein nur gebrochen, umgelenkt, nicht aber rekonstruiert werden kann: Mit der Vergegenwärtigung des Objekts der Vorstellung durch mitteilende Zeichenfunktionen ist nicht nur die „Verdrängung“, sondern mit ihr auch die Vorstellung im „Unbewußten“ „à jamais perdu“. Die unbewußte Vorstellung ist psychische Energie durch die „Verdrängung“ aus dem Bewußten, also vom Bewußtsein nicht untransformiert rekonstruierbar. Das Gedachte ist nicht im Bild des Denkens, sondern ist das, dem sich das Denken durch Denkbilder unablässig zu nähern versucht und es doch immer nur in Differenz zu sich als anderes, als Nicht-Selbst, im Rekurs auf Selbst konzeptualisieren kann. Die Bewegung zwischen psychischer und reflexiver Selbsterfahrung konstituiert, da sie nicht letztgültig in einem Dritten aufhebbar ist, ein Spannungsverhältnis, das „Lust“ hervorruft gerade durch das Eingeständnis der „Unlust“, die die Unaufhebbarkeit der psychischen Energie in Zeichenwelten und des „Diskurses der Psychoanalyse“ im „Diskurs der Universität“ hervorruft. Diese doppelte Spannung zwischen psychischer und reflexiver Selbsterfahrung erweitert Immanuel Kants Charakterisierung des „Sublimen“ als irreduzible Differenz zwischen „Einbildungskraft“ und „Vernunftideen“.(20) Überraschend ist im Kunstkontext nicht die ästhetische Erfahrung des Sublimen, sondern die zentrale Stellung, die ihr Weibel 1. in Medieninstallationen und 2. durch Polykontexturalität zukommen läßt.
Der Beobachter entfaltet seine Erfahrungskonzepte um die leeren Umrisse, die Weibels Closed Circuits ihm bieten. Er füllt diese Leere schon mit dem Bild seiner selbst, er erfährt sich schon als Teil eines fremd koordinierten Bildes seines Selbst, bevor er die Input/Output Relationen des Schaltkreises verstanden hat. Die Relation zwischen erster Provokation beim Betreten eines unbekannten Ortes und der Rekonstruktion der funktionalen Zusammenhänge an diesem Ort – des Schaltplans der reaktiven Installation – kann Beobachter zur Rekonzeptualisierung des Selbst an der Grenze zum Nicht-Selbst an Hand der Frage provozieren, wie die erste psychische Reaktion zustande kommen konnte. Doch die Rekonstruktion kann die Angst vor dem Unbekannten (dem unbekannten Spion), dem Vor- und Irrationalen, nicht auflösen: Indem Rationalisierung immer schon zu spät kommt und an ihre Grenzen stößt, relativiert sie sich selbst: Sie stößt von innen an die Grenze zum Außen – und das Außen erweist sich als unbewußter Teil des Selbst, als Nicht-Selbst.
Die Kamerapositionen und die Relationen zwischen Input und Output in Weibels Closed Circuits verhelfen dem Beobachter zur Problematisierung der Nachträglichkeit der Konzeptualisierung. Das Bewußtsein von der Nachträglichkeit der Rekonstruktion kann zu bewußten handhabbaren Imaginationen von Realem verhelfen: Ansätze zur Symbolisierung durch projektive Imagination, die immer schon der Konzeptualisierung vorausgeeilt ist, können als unumgehbares, aber nicht unfehlbares Mittel eingesetzt werden. Die Rekonstruktion kann die erste, noch projektive Beobachtung korrigieren, aber nicht ausschalten. Korrigiertes und Korrigierendes verweisen wechselseitig aufeinander: „Diskurs der Universität“ bzw. Rekonstruktion und das, was von der projektiven Imagination im „Diskurs der Psychoanalyse“ erkennbar wird, „Vernunft“ und „Einbildungskraft“, grenzen ein abwesendes Anderes, das Verdrängte/ Reale, ein, mit dem sich der Beobachter im „Closed Circuit“ Beobachtung der Beobachtung: Unbestimmheit konfrontiert sieht.
III. Computergestützte Bildverarbeitung
DE-SYN-THETISIERUNG
Computergestützte perspektivische Krümmung der Mach Zeichnung (1992, WV 108) besteht aus vier vom Monitor abfotografierten Bildern.(21) Eine Illustration aus Ernst Machs Die Analyse der Empfindungen von 1906 liefert den Anlaß zur „Krümmung“. Die Illustration rekonstruiert den Blick eines liegenden Beobachters auf seinen Umraum. Das Blick-Abbild-Verhältnis, das die Illustration herstellt, präsentiert eine einäugige Sehweise analog zum Blick durch den Sucher der Kamera. Eine Bewegung der rechten Hand, die einen Stift hält, deutet an, daß der Sehprozeß über das, was gesehen wird, nachvollzogen wird. Auf die Darstellung eines Zeichenblocks, der ein Stück der Wirklichkeit dem Blick durch ein Medium ihrer Repräsentation entziehen würde, wurde verzichtet. Soll das abwesende Bildmedium darauf verweisen, daß das Auge als Bildmedium reflektiert werden soll?
Weibel und sein Programmierer reißen den statischen einäugigen Blickstandpunkt in Machs Illustration durch ein quasikubistisches computergestütztes Verfahren auf. Sie verschieben Skalierung und Bildschärfe zwischen simultan sichtbaren Bildsplittern und krümmen das aufgesplitterte Bild mehrfach auf sich selbst zurück, bis nur noch Konturen der Bildzersplitterung und die Verzerrung dieser Konturen erkennbar sind. Der Rezipient kann die Bildserie vorwärts in Richtung auf zunehmende Verzerrung und rückwärts in Richtung auf Abbildung überblicken. Die Bilder sind in doppeltem Sinne Reihen: jedes Bild für sich mit seinen Zersplitterungs- und Krümmungssequenzen sowie von Bild zu Bild.
Durch die Innenkrümmung wird das Bild kontraktiert zu einer Figur mit Oberflächenstrukturen und einem ovalen Umriß. Strukturen und Umrisse sind nicht frei von evokativen Zeichenfunktionen. Die maschinell generierten Oberflächenstrukturen und Konturen können Assoziationen an analoge Oberflächenstrukturen und Konturen provozieren, z.B. Assoziationen an die Form eines Schädels, Auges u.a. Die Fotosequenz provoziert zur Bildung von Imaginationsimaginationen: Die Krümmungsformen evozieren Assoziationen (Imagination), die in der Retention auf den Anfang der Krümmung, auf die Illustration von Machs Analyse der Empfindungen, neue Assoziationsketten hervorrufen können (Imaginationsimagination).
Nach Julia Kristeva werden durch die Wiedereinführung des „Semiotischen“ ins „Symbolische“ – „un retour second de la fonctionalité pulsionelle dans le symbolique“ – die vorcodierten Koordinationen von Zeichen und Bedeutung („le thétique“) unterbrochen, de-syn-thetisiert („dé-syn-thétiser“). Die dekoordinierende Störung versperrt nicht den Weg zu alternativen Rekoordinationen: „L‘,art‘ consiste à ne pas lâcher le thétique tout en le pulvérisant par la négativité de la transgression.“(22) Die mimetischen Zeichenfunktionen von Machs Illustration und die semiotischen Prozesse, die die innerbildlichen Krümmungssequenzen evozieren, sind nebeneinander vergegenwärtigbar und in Imaginationsimaginationen aufeinander beziehbar. Die im Gedächtnis von Beobachtern gespeicherten Codes zur Wahrnehmung des Realen (Sehmuster und Kombinationsweisen von Sehmustern), denen sich (aus heutiger Sicht) noch Machs Illustration widmet, verlieren durch De-Syn-Thetisierung ihre das Semiotische kanalisierenden und ins Symbolische überleitenden Funktionen.
Als „floating signifier“ lassen sich die Zeichen charakterisieren, die durch Krümmungsprozesse in übereinander gleitende Signifikantenserien integriert sind. Die Signifikanten gleiten von ihrem Ursprung, einem digitalisierten Abbild, zu Krümmungsserien, die den Abbildungscharakter auflösen. Sobald die Erkennbarkeit des Gekrümmten schwindet, kann der nicht referentielle Krümmungs-Code analog zu musikalischen Sequenzierungen, die ein Thema selbstbezüglich, ohne referentielle Zeichenfunktionen konstituieren, aber auch analog zu verwandten visuellen Strukturen einer Umwelt beobachtet werden. Letzteres führt zur Resemantisierung.
Aus dem Gleiten der Signifikanten werden Signifikantenserien, denen sich weder Element für Element noch Elementrelation für Elementrelation noch als Serie eindeutig Signifikate zuordnen lassen: Mit dem Gleiten der Signifikanten sind auch vorcodierte Signifikat-Signifikant-Zuordnungen ins Gleiten geraten: de-syn-thetisiert.(23) Zwischen Symbolischem und Semiotischem öffnet sich das Feld für Imaginations-imaginationen zwischen (Zerr-)Bildern des vorcodierten/sozialisierten Bildes von Welt.
ZUR RECHTFERTIGUNG DER HYPOTHETISCHEN NATUR DER KUNST UND DER NICHT-IDENTITÄT IN DER OBJEKTWELT (WV 113)
In der Installation Zur Rechtfertigung der hypothetischen Natur der Kunst und der Nicht-Identität in der Objektweit [Anm. d. R.: wird im folgenden Zur Rechtfertigung … genannt] von 1992(24) gelangt der Beobachter über einen dunklen Gang in einen Raum, der von einer reaktiven computergesteuerten Bildprojektion beleuchtet wird, sobald Bodensensoren aktiviert werden. In eine circa 5 x 5 Meter große Bodenfläche sind Kontaktmatten eingelassen. Der eintretende Beobachter hat die Projektion bereits aktiviert, bevor er den Zusammenhang zwischen 32 Sensoren und Bildprogrammen erkennen kann. Eine Textwelt aus Buchstaben (Constanze Ruhm/Bob O’Kane), eine Architektur- bzw. Raumwelt (Christian Möller/Dieter Beck), eine Objektwelt (Akke Wagenaar) und eine Gaswelt (Laurent Mignonneau) kann der Beobachter über vier farbige Bodensensoren wählen. Der Beobachter betätigt beim Betreten des Installationsraumes die dem Eingang nächsten vier Sensoren, über die eine der vier Programme/Welten aufgerufen wird. Bis er weitere Sensoren betätigt, sieht er das Anfangsbild. 25 graue Sensoren koordinieren Skalierung, Proportion und Rotation. Weitere drei graue Sensoren steuern Twirl-, Twist- und Wavefunktionen.
Sensorenaktivierung und Beobachterstandpunkt sind gekoppelt: Der Beobachter kann nicht gleichzeitig eine große Entfernung zur Wand einnehmen und Sensoren nahe der Leinwand betätigen wollen. Der Benutzer kann die Programme durch Aktivierung der Sensoren bis zu einem gewissen Grad beeinflussen, muß aber den virtuellen Welten ihr Eigenleben lassen.
Text- und Objektwelt
Die Elemente der Text- und Objektwelt – Buchstaben und Möbel – können je nach Sensorenaktivierung vollplastisch, linear oder gepunktet erscheinen. Die Transformationen der Elementvarianten der Text- und Objektwelt können sich, wenn die „Overdraw“-Funktion aktiviert ist, zu Sequenzen verdichten, die Ausgangszeichen mit mitteilenden Zeichenfunktionen in Signifikantenserien auflösen. Die simultanen Varianten ergeben „a texture of interruptions“.(25) Eine Signifikantenserie bildet eine eigene Serienformation – „Epistrata“ –, die das Ausgangselement zwar multipliziert und variiert enthalten, es aber nicht mehr erkennen lassen. Verschiedene „Epistrata“ durchdringen und überlagern sich: „Parastrata“.(26) Es entstehen „figures sans objet, … qu’elles soulèvent elles-mêmes au fond, et qui retombe pour les laisser voir un moment“. Die generierten „Epi-“ und „Parastrata“ kehren nach der Programmreaktion auf Sensorenaktivierung wieder in ihren Ausgangspunkt zurück, die Zeichen teilen wieder Objekte, Worte u. a. mit.
Im Kontext der Strata erscheint die illusionistische Objekt- und Buchstabensimulation als Anfangs- und Endphase einer Generierung, die zu einer „perception hallucinatoire“ ohne Referenzpunkte einlädt: „La situation de la perception n’est pas celle que décrira
Vorstudien für die interaktive Computerinstallation
Zur Rechtfertigung der hypothetischen Natur der Kunst und der Nicht-Identität in der Objektweit, 1992
Gestalt, quand elle dressera les lois de la ,bonne forme‘ contre l’idee d’une perception hallucinatoire [qui n’a pas d’objet].“(27)
Mit Jean-François Lyotard läßt sich von einer „figurale[n] Ästhetik des Vielzuviel, die den Begriff überfordert“, sprechen. Diese Ästhetik des „Vielzuviel“ strapaziert das „Formvermögen“ über das „Begriffsvermögen“. Lyotard unterscheidet von der „Ästhetik des Vielzuviel“ die minimale Ästhetik des Sublimen, des „Beinahe-Nichts“. Die maschinelle Generierung der Text- und Objektwelt ist auf eine „perception hallucinatoire“, eine Ästhetik des „Vielzuviel“ hin ausgelegt. Der Rezipient kann bei seinen Aktionen in der Installation sein Empfinden/seine Impulse mit seiner Kenntnis der Maschinenmöglichkeiten koordinieren: Die von der „Ästhetik des Vielzuviel“ auslösbare „perception hallucinatoire“ ist konzeptuell rückkoppelbar an ein Wissen von Programmfunktionen. Das bis zum „délire“(28) angeregte „Formvermögen“, welches das Begriffs-/Konzeptvermögen dereguliert, wird seinerseits vom Kalkül des Konzeptvermögens dereguliert.
Die Transformationsserien der Raum- und Textwelten von Weibels Installation aktivieren mit ihren
de-syn-thetisierenden „Epi-“ und „Parastrata“ an Stelle psychologischer Besetzungen virtueller Spielfiguren ein Blickbegehren – „la pulsion de voir“. Rosalind Krauss exemplifiziert dieses Blickbegehren am Beispiel der Werkserie L’Optique de précision Marcel Duchamps – mit Arbeiten wie dem Film Anémic Cinéma (1925) und den Rotorelief (1935), billig reproduzierten Scheiben mit spiralförmigen Mustern für Schallplattenspieler Rotation in 33 U/min: “ … dans l’espace de l‚Optique de précision de Duchamp, le temporel est reporté sur le figural comme le battement spécifique du désir – un désir qui, dans un seul et méme geste, produit et perd son objet, un désir qui est constamment en train de perdre ce qu’il a trouvé parce qu’il ne trouve jamais que ce qu’il a perdu.“(29) Die Programme der Text und Objektwelten von Zur Rechtfertigung … generieren Transformationssequenzen mit einem Rhythmus, auf den sich Blickbegehren und Sensorenaktivierung des Beobachters einstellen können.
Raum- und Gaswelt
Die Programme der Raum- und Gaswelt besetzen nicht alle Sensoren. Die farbigen Gaswolken – elektronische Gase – haben eine Lebensspanne von 6 Sekunden nach Sensorenbetätigung. Um sie in Bewegung zu versetzen, muß der Beobachter mehrere Sensoren zugleich betätigen, also springen. Die Gase verhalten sich wie virtuelle Lebewesen, analog zu niederstufigen biologischen Wesen: Sie „fliehen, suchen, vermehren, fressen“(30) sich. Bei „Overdraw“ entstehen schlierenartige Gebilde – elektronische Taches – irritierenderweise in einem Bühnenkasten. Der Bildraum wäre vom Beobachter, wenn der Bühnenkasten entfällt, durch die räumliche Auflösung der schlierenartigen Gebilde in „Sehmuster“ analog zu informellen Farbräumen konstituierbar.(31)
Die isometrischen Vierkantkörper der „Raumwelt“ und die kurzlebigen, opaken Konfigurationen der „Gaswelt“ sind virtuelle Zeichenformationen in Konzept /Modellwelten mit „interner Referenz“.(32)
Die „Gaswelt“ wie die „Raumwelt“ bestehen aus Programmelementen, denen mimetisch ikonische Zeichenfunktionen durch die Denotation der Konfigurationen als „Gas“ oder „Raum“ zugeschrieben werden, während Strukturanalogien auch andere Benennungen zulassen.
Die Kuben der Raum- und die Schlierenformationen der Gaswelt konstituieren Bildräume verschieden: Sich aus einem Kastenraum lösende Quader und aus einem Nicht-Raum auftauchende opake, variable Gebilde sind Elemente in autonomen, selbstbezüglichen Bildraum-Konzepten. Im ersten Fall ist ein illusionistischer Bildraum immer schon da, bevor sich ein Objekt in ihm befindet, im zweiten Fall ist der Kastenraum zur räumlichen Lokalisierung der Schlieren unbrauchbar: Die schwebenden Schlieren sind im Kastenraum im Unterschied zu Figuren auf realistisch gemalten Böden nicht mehr verortbar. Der Eindruck der Dreidimensionalität ergibt sich bei den „Gasen“ aus ihren Binnenformen, nicht aus ihrer Lokalisierung im Illusionsraum.
Die Programme in Zur Rechtfertigung … können als eine computergenerierte Reinszenierung einer bildtheoretischen Auseinandersetzung in den fünfziger Jahren zwischen perspektivischen Grundlagen des Realismus und informellen Farbräumen betrachtet werden. Die Raumwelt setzt Gestaltwahrnehmung immer schon voraus, während die Gaswelt Feldstrukturen offeriert, die dynamische „Wahrnehmungsbilder“ erfordern. Es ergeben sich zwei konträre Konzepte von Raumbildern in Bildräumen.(33)
Das „Formvermögen“ wird in Raum- und Gaswelt für einfachere Strukturen beansprucht, an die das „Begriffsvermögen“ anschließen kann. Die Formwelten sind auf die reine Konzeptwelt des „Begriffsvermögens“ zugeschnitten, aber von einer Ästhetik des „Beinahe Nichts“ weit entfernt, die Lyotard als Gegenpart zur „Ästhetik des Vielzuviel“ erörtert, die den Begriff überfordert: Nicht die erhabene „Formlosigkeit“ des „Beinahe Nichts“ wird konzeptualisiert, sondern die beiden Modellwelten sind auf der „Grenze“ zwischen „Formvermögen“ und „Begriffsvermögen“ anzusiedeln – ein manieristischer Konzeptualismus.
Was in der Malerei sich gegenseitig ausschließende Bildkonzepte sind, kann im Medium Zeit über
schrittweise Übergänge zusammengeschlossen werden: Dort liegen die überraschenden Momente der Computeranimation. Die „Deformation“(34) von Zeichen in (über „externe Referenten“) mitteilenden Funktionen in abstrakte Zeichenformationen mit illusionistischen Effekten in Objekt- und Textwelt ist eine quasi kubistische Möglichkeit. Eine andere Möglichkeit ist ein konstruktiver Aufbau einer Bildwelt aus der Relationierung von Basiselementen. Die Kubenkonstellationen der Raumwelt stabilisieren das Blickbegehren („la pulsion de voir“, s.o.) durch ihre Art der internen Variation. Die Stratagenerierung der Text- und Objektwelten dagegen dynamisiert das Blickbegehren. Die Gaswelt muß zwischen Raumwelt und der Text- sowie der Objektwelt eingestuft werden. Die Gasschlieren ergeben nicht die „texture of interruptions“ der Stratagenerierung, sondern malerische Konstellationen, die sich nicht so schnell in der Zeitdimension verändern, daß eine „Sehmuster“-Variation ihnen nicht folgen könnte. Ihre Variation ist nicht so leicht vorhersehbar wie die Transformationen der Raumwelt, aber die Schlieren sind noch unterhalb der Ästhetik des „Vielzuviel“ erschließbar.
SCHNITTSTELLE IM DUO-PLURIVERSUM
Die Selbstverortung des Beobachters im Sensorenraum und in je einer der Bildwelten, in Raumbild und Bildraum, verlaufen in der reaktiven Installation Zur Rechtfertigung … einerseits parallel und überschneiden sich andererseits: Es sind zwei autonome Welten mit Übergängen. Bewegungsweisen in der realen und der jeweils aktivierten virtuellen (bzw. Bewegungen in der realen für den Zugang zur virtuellen) Welt sind vom Beobachter in verschiedenen mentalen „Schemata“(35) konzeptualisierbar. Jede Programmwelt ist über die programmierten Reaktionsmöglichkeiten auf bestimmte Beobachteroperationen ausgerichtet. Ein Rezipient kann diese vom
Objektwelt (o.) und Raumwelt (u.) aus der Computerinstallation
Zur Rechtfertigung der hypothetischen Natur der Kunst und der
Nicht-Identität in der Objektweit, 1992
Programm vorgesehene Rolle auf den Sensoren einnehmen, sich an eine reaktive Bildwelt anschließen und die eingenommene Beobachterrolle beobachten – nicht real, sondern mental durch Konzeptualisierung. An der Schnittstelle – der Relation Sensoraktivierung-Bildbewegung – wechseln die beiden „Schemata“ mit „Handlungsplänen“ für Bewegungen im Real- und Bildraum die Relation innen/außen: Der Beobachter wird zuerst an die Schnittstelle vom mentalen Standpunkt der Selbstorientierung in der realen Welt (Raumbild) anschließen, um in eine virtuelle Welt (Bildraum) zu gelangen und Bildbewegungen zu provozieren. Wenn der Beobachter sich im Realraum bewegt und die Echtzeit-Reaktion der Bildsimulation dem Zufall überläßt, dann leitet er seine Operationen von „Handlungsplänen“ aus, die ihm zur Orientierung im Realraum dienen: Außen/Innen (Schnittstelle vom Real- zum Bildraum)-Innen/Innen (Raumbild-„Schema“ mit „Handlungsplänen“). Die Bildprojektion ist in diesem Fall während der Orientierung im Realraum peripher – sie ist nur als einzige Lichtquelle des Environments relevant.
Versucht der Beobachter die Sensoren zu betätigen, um sich in den Bildprogrammen auf bestimmte Weise zurecht zu finden, dann ist für ihn die Datenseite der Sensoren-Schnittstelle entscheidend. In diesem Fall wird er die Gebundenheit des Inputs über Sensoren an Distanzen im Realraum, die seine Entfernung zur Projektion bestimmen und ihn zu schnellem Sensorenwechsel zwingen, als Anschluß von Elementen des Realraums an die digitalisierte Bildraumsteuerung reflektieren. Der Beobachter lokalisiert sich auf der Bildraumseite und konzeptualisiert den Realraum in Bildraumfunktionen: Die Selbstverortung im Bildraum wird mental auf der Innenseite der Schnittstelle lokalisiert und die dazu notwendige Handlungskoordination im Realraum als Außenseite. Von der mentalen Selbstverortung in der realen, euklidisch konzeptualisierbaren Welt mit klassischer Raum-Zeit-Kombination – eine räumliche Distanz zwischen Sensoren zurückzulegen benötigt ein bestimmtes Maß an Zeit – kann in die reversiblen „geschichteten Faltungen von Raum und Zeit“(36) einer virtuellen Welt umgestiegen werden – und umgekehrt: Ein Switch zwischen Innen/Außen und Außen/Innen findet an der Schnittstelle statt.(37) Der Beobachter muß, um den Anforderungen des Bildprogramms z. B. der Gaswelt gemäß über den Sensoren zu agieren, immer wieder mental aus der Orientierung im Bildraum aus- und in die Orientierung im Realraum eintreten, da er nicht zwei „Schemata“ gleichzeitig und vom Bewußtsein kontrolliert Umsetzen kann: Die virtuelle Dynamik der Schlieren im Bildraum korrespondiert im Raumbild nicht unmittelbar mit Orientierungsachsen – und kognitive Vermittlungen zwischen Bildraum und Raumbild benötigen Zeit, in der sich die variablen Schlieren wiederum selbständig verändern können. Der zunächst über die Sensoren allmächtig sich wähnende, weil die Gase ins Leben rufende Beobachter muß mit einer eingeschränkten Kontrollierbarkeit der Schlierenbewegungen zurecht kommen. Die „Viabilität“ der Gase widerspricht einem totalitären Kontrollanspruch.
Die Schnittstelle enthält die verschiedenen virtuellen Welten als „Bündel“ aus „Scheibchen“. Es ist zwar „immer nur eine Fiber“ des Bündels „real in jedem Augenblick“: „Aber zusätzlich gibt es … ein rasches Hin- und Herspringen zwischen den Elementen dieses Bündels … von jeweils in sich konsistenten Welten.“(38)
Der Beobachter betritt entweder über diese Jetztzeit-Schnittstelle die virtuelle Datenwelt oder bleibt außerhalb der Beeinflußbarkeit der reaktiven Zeichenwelten: „Solange der Beobachter nicht aus sich heraustreten [seine Körperpräsenz verdoppeln] kann, scheint kein Ausweg möglich.“(39)
Der Beobachter entzweit sich in einen mental realisierbaren Standpunkt in einer virtuellen Welt und den Zugang zu ihr durch Inputoperationen in einem realen Handlungsort: Der Beobachter kombiniert, um an die programminterne Seite der Schnittstelle zu gelangen, seine Konzeptualisierung von „Handlungsplänen“ im Realraum mit Denk-„Schemata“ zur Selbstorientierung in virtuellen Bildwelten.
Die von einem im Realraum installierten Interface steuerbaren Verzweigungen in alternative Bildwelten und Programmfunktionen innerhalb jeder Bildwelt versetzen den Beobachter in ein Duo-Pluriversum:
• Auf „stereoskopische“(40) Weise bewegt sich der Rezipient zwischen der realen Welt und je einem der virtuellen „Scheibchen“. Die Zwei-Welten-Koordination an der Schnittstelle bildet ein Duoversum.
• Die Bildraum-Seite des Duoversums Raumbild-Bildraum konstituiert ein Pluriversum alternativer virtueller Welten.
Ein zweiter Beobachter bleibt entweder außerhalb des Sensorenbereichs, sofern das die Installationsarchitektur erlaubt, oder er betritt die Schnittstelle, den Zugang zu virtuellen Welten, in einer von denen sich vielleicht schon ein anderer Beobachter bewegt. Der zweite Beobachter kann entweder den ersten Beobachter in einer virtuellen Welt durch die Aktivierung anderer Sensoren stören oder in eine andere Welt umschalten – und so den ersten Beobachter aus seiner Welt werfen: Die Reisenden zwischen den virtuellen Welten müssen sich über den Zugang zur Schnittstelle einig werden und versuchen, sich nicht gegenseitig den Zugang zu den Sensoren und damit die Zugänge zu den Bildwelten zu versperren. An der Schnittstelle entsteht infolge begrenzten Zugangs zu den Bildwelten ein Problem der sozialen Interaktion! Die Textwelt antizipiert dieses Kommunikationsproblem: Bei simultaner Aktivierung zweier Kontaktpunkte, die ab bestimmter Distanz der Sensoren zwei Beobachter ausführen müssen, können „Wortskulpturen“ entstehen, die sich entfalten. Durch Verben und Prädikate werden in der Textwelt aktivierte Substantive zu Sätzen verknüpft – hier zwei Beispiele: „identity is binary“, „digit seems entropy“. Durch weitere Sensorenaktivierungen lassen sich diese selbstbezüglichen, computergestützte Bildverarbeitung beschreibenden Sätze de-syn-thetisieren.
METHODISCHE FRAGEN
Kontextualisierung von Konzept-Welten
Gilles Deleuze schlägt, Gottfried Wilhelm Leibniz folgend, eine Unterscheidung zwischen „actualisation“ und „réalisation“ als „les deux étages“ einer Umsetzung des „virtuel“/“possible“ in eine Welt vor. „Virtualité et possibilité pures“ werden in einem „double processus“ in „les âmes“ aktualisiert und in „les corps“ realisiert.(41) Die Möglichkeiten der Wahl zwischen alternativen Weltkonzepten („virtuel“/“possible“) hat der Beobachter im Unterschied zu Leibniz‘ „bester Welt“, einer von Gott aus der Unendlichkeit möglicher Welten immer schon gewählten Welt.
Possible, Filminstallation, 1969 (Foto: 1977)
„Handlungspläne“ für Operationen im Realraum werden im folgenden als „actualisation“ einer Konzeptwelt (bzw. eines Beobachtungssystems) bezeichnet, die Kontextualisierung durch Beobachteroperationen im Realraum wird als „réalisation“ dieser Konzeptwelt begriffen. „Actualisation“ und „réalisation“ bilden auf ihren „étages“ eigene Faltstrukturen – „les plis de la forme“ und „les replis de la matière“: „Il est certain qu’un étage se plie sur l’autre, mais avant tout chacun comporte un mode de ph trés différent.“(42)
Der „réalisation“ in „la matière“ entspricht in Konzepten virtueller Welten eine konzeptuelle Kontextualisierung, eine aktualisierte „réalisation“.(43)
Die Schnittstellen-Problematik provoziert zu Reflexionen über die Relation Konzept/Kontext. Spielsimulatoren lassen den Beobachter/Spieler allmächtig erscheinen und ihn die Ursache seines Vorteils – eine bestimmte Ausrichtung der virtuellen Welt und der Schnittstelle – vergessen: Sterben dürfen die virtuellen Krieger, die nie lebendig waren, und das Leben ist immer auf seiten des Spielers, wie oft er auch im Spiel besiegt und getötet wird. Der Spieler ist schon deshalb apriori Sieger, weil er das Spiel lebendig verlassen kann, während die lebendig erscheinenden Krieger Gefangene des Simulationsapparates bleiben – eine Situation, aus der sie kein Kampf befreien kann. Im Kriegsspiel in idealer Simulation, wenn es wie eine Wiederbelebung realer Kriegsszenen erscheint, wirkt das Programmiertsein als Manko: „Entweder können auf Solaris VII Roboter auch eines natürlichen Todes sterben, oder es gibt da noch einen Fehler im Programm.“(44) Dieses Manko der Reversibilität, der programmierten unendlichen Wiederauferstehung des simulierten Spielers, kann dem Spieler zum Anlaß werden, seine Spielsituation als ständigen Triumph echter Intelligenz über Scheinleben zu imaginieren. Die Programmwelten in Zur Rechtfertigung … zehren nicht unterhaltend und mimetische Zeichenfunktionen wiederbelebend von internalisierten Formen der Konzeptualisierung von Welt, sondern ermöglichen dem Beobachter/Spieler, durch Gebrauch konventionalisierte Modellbauweisen im Vergleich zu de- und rekonstruieren.
Im Unterschied zu interaktiven Kriegsspielen bieten die von Weibel und Mitarbeitern des Frankfurter Instituts für Neue Medien entworfenen und von Mitarbeitern ausgeführten Weltensimulationen keine psychologisch besetzbaren virtuellen Figuren. Simulierte Kämpfer in Terry Pratchetts Roman „Nur Du kannst die Menschheit retten“ signalisieren dem Programmanwender/Spieler, daß sie das Kriegsspiel aufgeben wollen. Sie versichern, daß sie bei Abschuß im Unterschied zum Spieler Opfer sind(45) und verzichten durch einseitigen Frieden auf weitere Gegenreaktionen, um das Spiel/den Kampf zu beenden. Sich in Traumwelten verselbständigende Kriegsspiele und sich vom Programmierten und Spieler verselbständigende Programmwelt des Spiels durchdringen sich im Denken der Hauptfigur. Der Traum wird schließlich zum schnittstellenlosen Zugang zur Programmwelt: Die aktualisierte „réalisation“ virtueller Welten kann in der Vorstellung des Spielers/Beobachters, der die Reaktionsmöglichkeiten einer virtuellen Welt internalisiert hat, eine Eigendynamik gewinnen: Virtuelle Kontexte sind bei Pratchett in vorgestellte Konzeptwelten, die „réalisations“ von Spielzügen in „actualisations“ von Konzeptwelten/Spielprogrammen eingefaltet.
Weibels reaktive Installation Zur Rechtfertigung … wird hier als Ansatz verstanden, virtuellen Welten einerseits eine aktualisierte Form der „réalisation“ zuzugestehen, andererseits nicht das Gleiten zwischen „actualisation“ und „réalisation“, zwischen den „plis de la forme“ und aktualisierten „replis de la matière“, durch eine Struktur zu stabilisieren, die die Differenz zwischen beiden „étages“ aufhebt.
Modellwelten von Kriegsspielen schließen an programmextern etabliertes Sozialverhalten an. Weibels reaktive Installation Zur Rechtfertigung … enthält dagegen nur Echtzeit-Programme, die eine Semantisierung, wie sie Beobachtern gelingt, wenn die Bildzeichen an Codes anschließbar sind, unterbrechen: Die Programme der Installation drängen „externe Referenten“ an die Peripherie und/oder konstituieren „interne Referenten“.
Das Virtuelle als Schein des Realen in Kriegsspielen, die gespielt werden, als ginge es um Leben und Tod im gleichzeitigen Wissen um die fehlende reale Bedrohung, und das Virtuelle in Zur Rechtfertigung … als über eine Schnittstelle zugängliche Konzeptwelt(en) mit Eigenkontext sind auch daran unterscheidbar, daß die Spiele die Programmanipulation an der Schnittstelle fiktionalisieren, während die reaktive Installation die Schnittstellenoperationen problematisiert. Vom sich schießend wähnenden Spieler in Kriegsspielen zu Pratchetts literarischem Traumzugang zu Spielwelten ist es nur ein kleiner mentaler Schritt. Dagegen wird der Schnittstellenbenutzer in Zur Rechtfertigung … geerdet, da er seine Bewegungsmöglichkeiten mit den Füßen in Sensorenaktivierung umsetzen soll. In reaktive Konzeptwelten kann sich ein Beobachter einbetten: Er kann sich in der internen Konzeptseite einer programmierten reaktiven Welt lokalisieren und sich in Projektionen der Konzeptwelt kontextualisieren, wie er dies auch im Raumbild, in seiner Vorstellung eines realen Raumes, kann.
Zwischen Unterhaltung (reaktive Kriegsspielprogramme, Science Fiction) und auf Unterhaltung reagierender, sich von ihr absetzender Kunst kann im Medium reaktiver computergestützter Programme analog zur Differenz zwischen Pop Kultur und Pop Art unterschieden werden.
Impliziter/interner/externer Beobachter
Mit Georg Friedrich Wilhelm Hegel wäre unter „Beobachtung von Beobachtungen“ folgendes zu verstehen: „Das Bewußtsein beobachtet; d.h. die Vernunft will sich als seienden Gegenstand, als wirkliche, sinnlich-gegenwärtige Weise finden und haben. Das Bewußtsein dieses Beobachtens meint und sagt wohl, daß es nicht sich selbst, sondern im Gegenteil das Wesen der Dinge als der Dinge erfahren wolle. Daß dies Bewußtsein dies meint und sagt, liegt darin, daß es Vernunft ist, aber ihm die Vernunft noch nicht als solche Gegenstand ist … Für dies beobachtende Bewußtsein wird darin nur dies, was die Dinge sind, für uns aber, was es selbst ist; das Resultat seiner Bewegung aber wird dies sein, für sich selbst dies zu werden, was es an sich ist.“(46) Das „beobachtende Bewußtsein“ beobachtet sich selbst: „Bewußtsein“ findet im „Selbstbewußtsein“ sich „selbst“ als „Resultat“ seiner Denk-„Bewegung“. Würde diese Vernunft-„Bewegung“ im Selbstbewußtsein ihr „Resultat“ nicht nur finden, sondern auch dabei zur Ruhe kommen, als könnte diesen Selbstbezug kein Fremd-
bezug mehr transformieren, da er im Selbst endgültig immer schon antizipiert sei, dann würden Tautologien wie ‚das Denken denkt‘ (sich selbst), ‚die vernunftgeleitete Beobachtung beobachtet die Vernunft‘ (und damit sich selbst), ‚die Denkbewegung bewegt das Denken‘ (und damit sich selbst) ein nicht überschreitbares Endziel formulieren – doch enthält dieses Denken die Welt oder hat es sich von ihr abgekoppelt? Es gibt einen dritten Weg zwischen absoluter Identität und absoluter Differenz von Denken und Welt, Konzept und Kontext. Dank der Verteilung der Relation in-/extern an der Schnittstelle kommt das Denken nicht in einem differenzlosen Selbstbewußtsein zur Ruhe: Auch das Selbstbewußtsein wird standpunktrelativ und kann den Innen/Außen-Switch an der Schnittstelle nicht – im Unterschied zum schnittstellenlosen Traumzugang zu Programmwelten in Science Fiction – in ein differenzloses, tautologisches Innen/Innen aufheben. Eine „Beobachtung dritter Ordnung“(47) konzeptualisiert diese Standpunktrelativität an der Schnittstelle mit. Im Bewußtsein laufen zwei Weltmodelle – Raumbild und Bildraum – mit. Von der Kontextualisierung in einem der beiden Weltmodelle hängt die Zuschreibung der Innenseite ab, während die Außenseite des Switch nicht abgekoppelt wird. Die das Fremde in ein Selbst-Selbst durch Negation der Negation auflösende, an einer finalen „Drittheit“ orientierte Bewußtseinsphilosophie Hegels löst ein mit Unterscheidungen/Differenzen operierender „radikaler Konstruktivismus“ ab. Der jeweils fremde Beobachterstandpunkt wird in eine Selbst/Fremd/Selbst-Relation in der Zeitdimension übersetzt: Der Beobachter kann die Zuschreibung der Selbst- und Fremd-Position von Zeit zu Zeit wechseln. Mit diesem Wechsel/Switch wird die statische Position des alles Fremde mit sich vermittelnden Selbstbewußtseins aufgehoben: Innen/Außen-Switch statt absolutem Selbst. Der Selbst/Fremd/Selbst-Relation korrespondiert eine Fremd-Position, die auch als SelbstPosition denkbar ist. Die beiden Standpunkte können jeweils die andere Position in die Selbst/Fremd/Selbst-Relation einbetten.
Im Vergleich zwischen Niklas Luhmanns Konzeption des „teilnehmenden Beobachters“ und Otto E. Rösslers Entwurf des „expliziten internen Beobachters“ treten Probleme auf, die auch reaktive Installationen einer methodischen Fundierung der Werkanalyse stellen. Die Reflexion des Beobachterstandpunktes durch „Beobachtung von Beobachtungen“ wird von Luhmann an den externen Standpunkt delegiert. Rössler konzipiert einen externen Standpunkt, von dem aus die Hypothese einer nicht sichtbaren Kovarianz von Welt und „internem Beobachter“ denkbar, aber nur für ein Superauge, ein „Auge Gottes“, sichtbar ist. Nur ein Superauge könnte sehen, ob sich Welt und weltinterner Beobachter zugleich verändern. Für den Beobachter in einer sich verändernden Welt ist seine eigene Veränderung dann nicht erkennbar, wenn sie kovariant zu einer Weltveränderung ist: Der
Weltwürfel, 1992
Beobachter erkennt seinen eigenen Zustand nur in Differenz zum Weltzustand. Er erkennt sich selbst nur kontexrrelativ.
Luhmann unterscheidet einen theoretischen Begriff der „externen Beobachtung“ von einer „internen Beobachtung“. Diese Unterscheidung wiederholt die Leitdifferenz Beobachten/Handeln: Luhmann beschreibt als „internen Beobachter“ einen im Kontext Handelnden, aber als „externen Beobachter“ einen diesen Kontext Beschreibenden/Konzeptualisierenden. „Interne Beobachtung“ durch Handlungen im Kontext/in einer Welt ist die Voraussetzung für eine Beschreibung/Konzeptualisierung dieser Welt von einem externen Standpunkt. Der Beschreibende übersetzt Beobachtungen in ein System und beschreibt unvermeidlich zugleich sich selbst als Beobachteroperationen ausführender Agent im System. Sein Beschreibungssystem konstituiert seine Möglichkeiten der Konstruktion von Welt. Im Sinne der „doppelten Kontingenz“ beschreibt ein Beobachter einen Kontext nicht ohne Konzept bzw. Beschreibungssystem, also beschreibt er nicht ohne ‚Beschreibung von Beschreibungen‘. Die „Beobachtungen erster Ordnung“ sind jedoch nur durch Beobachteroperationen vor Ort – Bewegung und sinnliches Wahrnehmen – möglich.
Luhmann externalisiert die Reflexion der Beobachtung, während Rössler Vorschläge für ihre Internalisierung macht. Rösslers Internalisierung der Beobachtungsposition verhilft zu Modellen des in reaktiven simulierten Welten der physikalischen Forschung sich Bewegenden, zu denen er allerdings nur von außen über Interfaces Zugang hat. Die Schnittstelle von außen nach innen ist der Zugang zu einer Innenwelt. Zwischen Luhmanns und Rösslers Beobachterstandpunkten kann eine Form der Beobachtung von externer Beobachtung der internen Beobachtungen vermitteln, die interne Handlungsmodelle beider integriert: Handeln wird in „interner Beobachtung“ thematisiert und Beschreibung in „externer Beobachtung“ problematisiert.(48) „Interne Beobachtung“ reflektiert Selbsteinbettung in einen Kontext durch die Koordination von „Schemata“ eines Weltkonzepts mir „Handlungsplänen“, von einem Handlungsmodell mir Handlungsweisen im Kontext. „Externe Beobachtung“ thematisiert die Selektion von Konstruktionsmöglichkeiten von Welten für die Konstitution des Konzeptes einer Welt als geordnete Kombination von „Schemata“.
Diese Art der Auffassung der Relation externe/interne Beobachtung erlaubt, Konrexrualisierung als (Selbst-)Einbettung in ein (Welt-)Konzept zu verstehen. Die Konrexrualisierung als „interner Beobachter“ in einem virtuellen Modell/in einer Konzeptwelt ist über ein Metakonzept, das die Relation Konzept/Kontext expliziert, diskurierbar. Der Rezipient ist nicht nur impliziter Beobachter, der von einem externen Standpunkt aus Rezeprionsprozesse reflektieren kann, sondern er kann sich auch als interner Beobachter in einem Konzept/“Schema“ lokalisieren, das einen Kontext für mögliche „Beobachtungs-“ und Beobachteroperationen aktualisiert. Ein für Modell-Beobachter geschaffenes Konzept wie Zur Rechtfertigung … enthält Beobachterfunktionen intern.
An der „Exo-/Endo-Schnittstelle“ wird der interne Beobachter, bestehend aus programmierten Rezeptionsmöglichkeiten, dem externen bzw. extern agierenden Beobachter rekonstruierbar durch Selbstlokalisierung im System. Diese Selbstlokalisierung als impliziter Beobachter geschieht a.) durch Aktionen an der Schnittstelle und Beobachtung der Reaktionen, b.) durch Hypothesen über das Konzept, das dem einprogrammierten internen Beobachter zugrunde liegen könnte. Der implizite Beobachter rekonstruiert, was ihm seine Beobachterposition im Konzeptkontext zu implizieren scheint, durch die Annahme eines Modell-Beobachters in der Konzeptwelt. Es gibt also den programmierten internen Beobachter und den impliziten Modell-Beobachter, letzterer dient dem externen Beobachter als Hypothese beim mentalen Switch vom Außenanschluß an die Innenseite, vom Realraum in den Bildraum.(49)
Die (programm-)intern vorgesehenen Beobachterfunktionen und die extern rekonstruierbaren Beobachtermöglichkeiten sind als sich überschneidende, nicht aber notwendig identische Mengen denkbar. Bei reaktiven Programmen rekonzeptualisiert der sich über das Interface in der virtuellen Welt lokalisierende Beobachter seine Rekonstruktion der Reaktionsmöglichkeiten des Programms und damit des internen Beobachters immer dann, wenn die Explikation der Reaktionsmöglichkeiten vom programmexternen Standpunkt durch Erfahrungen/Beobachtungen mit den Programmreaktionen falsifiziert wird. Mehr als diese Versuche kann der Beobachter am Interface nicht vornehmen. Die Position des impliziten Beobachters am Interface ändert sich nicht, wenn er die Konstruktion des internen Beobachters in der Programmiersprache kennt. Die reaktiven Bildprogramme von Zur Rechtfertigung … besitzen eine Komplexität der Programmiersprache, aus der sich nicht „Schemata“ zur Beobachtung von einem Standpunkt in reagierenden Bildwelten ableiten lassen. Ob und wie sich „Schemata“ für „Handlungspläne“ in Programmiertes und umgekehrt übersetzen lassen, erscheint sekundär – die Selbstkonzeptualisierung des Beobachters im Werkkontext ist primäres Anliegen.
Zur Rechtfertigung … verweist Beobachter, die nach einer Führungslinie durch die Modellwelten suchen, mangels programminterner Projektionsfiguren (vgl. virtuelle Krieger) auf die Schnittstelle im Kontext zurück: So provoziert die Installation zur Reflexion über die Relationen zwischen Schnittstelle und Modellwelten sowie zwischen Beobachtungen vierter (externe Werkbeobachtungen) und dritter (Beobachterebenen im Werk) Ordnung. Auf der Ebene der Beobachtung vierter Ordnung werden Bewegungen im Duo-Pluriversum konzeptualisierbar, während auf der Ebene dritter Ordnung der Standortwechsel Innen/Außen zwischen realer und jeweiliger virtueller Welt koordinierbar ist.
Eine vierte Beobachterebene dient der Rekonzeptualisierung der Beobachtersituation im Duoversum z. B. in einer beschreibenden Resystematisierung der Schnittstellenerfahrung des Scheibchen-Bündels. Außerdem lassen sich „Zwischenwelten“ konzeptualisieren. Die begrenzte Zahl der Programmwelten in Zur Rechtfertigung … lädt zum Relationieren von Elementkombinationen in verschiedenen Welten ein: Mental konstruierbar sind zwischenweltliche Relationen zwischen den Relationen, die Strata, Taches und Kuben in ihren jeweiligen Welten bilden. Kann der Assoziationsraum aus zwischenweltlichen Relationen nicht als ein Kontext innerhalb des Duo-Pluriversum Konzepts der vierten Beobachterebene verstanden werden?
RAUMBILD-BILDRAUM: KUNSTHISTORISCHE ASPEKTE KONZEPT INFORMEL
Im folgenden Abschnitt wird die Schnittstellenfunktion der Relationen zwischen Werkformat, Ausstellungsraum, Beobachterdistanz und Augenakkomodation problematisiert.
Die Sensorenverteilung in Zur Rechtfertigung … und ihre Koppelung an virtuelle Bildsimulation mit computergestützter Echtzeit-Reaktion steckt die Möglichkeiten für Beobachteroperationen im Werkraum ab. Allan Kaprow definierte den Handlungsrahmen in seiner Notation zu 18 Happenings in Six Parts 1959 nicht nur in Instruktionen für „participants“ – den Akteuren –, sondern auch in Anweisungen für „visitors“, die sich im mehrfach geteilten Aktionsraum bewegen konnten.(50) Kaprow beschrieb 1958 in The Legacy of Jackson Pollock die Wahrnehmung der Drip Paintings, die Pollock zwischen 1947 und 1950 realisierte, als einen Prozeß, in dem die Beobachtung durch die bildräumliche Erfahrung des Drip-Gewebes als „moving in and out“ umschlägt in Teilnahme an einer fiktiven, Bildgrenzen überschreitenden „spatial extension“: „… we are participants rather than observers“.(51) Die optischen Resultate der Sequenzierung der Bildtransformation der Objekt- und Textwelt in Zur Rechtfertigung … ist vergleichbar mit Kaprows Erfahrung des Drip-Gewebes von Pollock als „moving in and out“. Kaprows Beschreibung des pulsierend erscheinenden Drip-Gewebes erinnert an Rosalind Krauss‘ Charakteristik des „pulsiori de voir“, die in Abschnitt III, S. 43 der Analyse der Text- und Objektwelt dient.(52)
Die Frage der ,,aesthetic distance“ des Beobachters zum abstrakten Bild, der sich mit dem isolierten Bildgegenstand konfrontiert sieht („otherness“) oder sich als „participant“ in einem fiktiven Werk-/Bildraum verortet („oneness“)(53), wird in reaktiven Installationen mit computergestützten Bildsimulationen erneut relevant: nicht als Disjunktion (entweder-oder) zwischen beobachteroffenem und in sich geschlossenem Werk(54), sondern als Relationierung von „oneness“ mit „otherness“. Taucht der Beobachter in die virtuelle Bildwelt ein und wendet seine Aufmerksamkeit von seiner Selbstverortung im Realraum ab, wechselt er dann nicht den Standpunkt, switcht er nicht zwischen den Beobachterstandpunkten bildweltex/intern = „otherness“/“oneness“? „Oneness“ entspräche der Selbstkontextualisierung des Beobachters in der konzeptualisierten, als autonomes System erfaßten Bildwelt, wäre also über die Schnittstelle vermittelt mit „otherness“.
In Zur Rechtfertigung … wird die Beobachtersituation mit den „textured fragments“ von Pollocks Drip Paintings vergleichbar, wenn in der Text- oder Objektwelt die Stratagenerierung (s. S. 42) sich von mitteilenden Zeichenfunktionen gelöst hat. Kaprow betont das Erlebnis der „oneness“ mit Pollocks Drippings, wenn er in The Legacy of Jackson Pollock die Konversion des distanzierten „observers“ zum ,,participant“ beschreibt. Nach Kaprow erfährt der ,,participant“ Pollocks „impulse“ als sich über die Bildgrenze fortsetzenden Rhythmus, als wäre er von Jackson Pollocks Spuren des Malakts, seinen ,,marks“, umgeben. Anton Ehrenzweig akzentuiert im Unterschied zu Kaprows Betonung der „oneness“ den zweifachen Aspekt der Anziehung („oneness“) und Abstoßung („otherness“) bei großformatigen Bildern mit Allover-Strukturen: „The pictorial space … repels and envelops us.“(55) Die mit Pollocks “ … a frenzy of swirling lines: lines that multiplied on themselves“(56) vergleichbaren Bildzustände der Text- und Objektwelten von Zur Rechtfertigung … weisen den Beobachter zurück auf seine Situation an der Schnittstelle zwischen Real- und Bildraum, auf die Relation Bodensensoren/Bildprojektion, da er die Produktion von „swirling lines“ beeinflussen kann, ohne eine vom Aktivierungsprozeß ablenkende narrative Bildwelt zu erhalten.
Ist der Switch Innen/Außen-Außen/Innen nicht schon ein Problem der abstrakten Malerei, nicht erst der reaktiven Installationen mit Echtzeit-Bildgenerierung? Wäre analog zur Bildraum/Raumbild-Relation in Zur Rechtfertigung … die Schnittstelle bei großformatigen Bildern von Jackson Pollock, Barnett Newman u.a. nicht an der Bildgrenze zu lokalisieren, über die die Augenakkomodation zwischen bildexternem und bildinternem Standpunkt, zwischen Raumbild und Bildraum, hin und herswitchen kann?
Die Relation zwischen Bildgrenze und unendlich erscheinendem Bildraum in Pollocks Allover- Drippings beschreibt Carter Ratcliff: „If an impulse toward stable order appears, the painting’s currents sweep it away. Following these currents to the edge of the canvas, the eye senses a shift, for Pollock never ignored the edges. He treated them as facts, indisputable but powerless to enclose the image in any but an arbitrary way. Not composed into harmonious, continuable unity, the image is a fragment of something potentially infinite.“(57) Als „potentially infinite“ kann ein vom Bildträger und von der Bildgrenze losgelöst imaginierter Bildraum bezeichnet werden. Die Bildgrenze kann als Schnittstelle zwischen Bildraum und der Wand im Realraum aufgefaßt werden, auf der sich der Bildträger befindet. Über die Schnittstelle kann die Aufmerksamkeit der Beobachter in den Bildraum und wieder zurück in das Raumbild switchen. Beobachteroperationen im Realraum – Standpunktveränderungen bzw. Bewegung vor dem Bild und Augenakkomodation – können von einer mental bildinternen Selbstverortung vorgenommen werden: Der gravitationsabhängige Realraum wird als Bewegungsraum an den als infinit rhythmisiert und als schwerelos erfaßten Bildraum angeschlossen: Der Realraum erhält im Switch die Außenposition zugewiesen und der Bildraum die Innenposition. Analog zur Wahl verschiedener Orte für Sensoren in Zur Rechtfertigung … hat der Bildraum von Gemälden verschiedene Zugänge über verschiedene Realraumpositionen. Die Bedeutung der Beobachteroperation durch Standpunkrveränderung beschreibt Toby Mussman vor Pollocks Bildern: „There are at least two ways of looking at Pollock’s paintings, from far away or up close. To look at them one way and not another is to ignore part of them. From far away, the consideration or opricality is certainly a crucial one; but up close, the issue of opticality vanishes, and one is absorbed with how the pools of dried paint have formed and how one color may have become mixed with another.“(58) Die im Nahblick wahrnehmbaren Relationen von Flecken und Tropflinien sind sowohl im Überblick aus der Ferne als auch im Abschreiten von horizontalen Friesformaten und bei vertikalen Längsrechtecken im auf- und abgleitenden Blick als rhythmisch gegliederte Texturen faßbar.
Pollock rhythmisiert den Bildraum in einer geringe Tiefe schaffenden Weise. Auf ihn kann sich der Beobachter durch Veränderungen seines Standortes und Augenakkomodation konzentrieren, den Realraum ausblenden. Der Beobachter nimmt dann einen mentalen Switch vom Real- zum Bildraum vor: Während er physisch im Realratim bleibt, wechselt er mental die Realraum Position von innen nach außen: Die Beobachterpositionen lassen sich im Realraum, vor dem Bild, im Hinblick auf die Selbstkontextualisierung im Konzept eines Bildraumes leiten. Trotz seines stark an „oneness“, an der Verschmelzung von Raumbild und Bildraum im „continuum going in all directions simultaneously, beyond the literal dimensions of the work“ orientierten Beschreibung des Beobachtungsprozesses muß auch Kaprow den Switch des Beobachters zwischen Raumbild und Bildranm, das Eintauchen in und das Auftauchen aus dem Bildraum mit Rückkehr der Aufmerksamkeit an den Realraum, in dem das Bild hängt, zur Kenntnis nehmen: „… we dip in and out when and where we can.“(59) Von der vom Bildraum beeinflußten Bewegung im Realraum kann der Beobachter zur bildunabhängigen Selbstorientierung im Realraum zurückkehren, von der
Position des Realraums als Außen zu einer Innenposi tionierung im Realraum switchen, während Clement Greenberg, Michael Fried und Rosalind Krauss (in frühen Artikeln) nur den statisch vor dem Bild stehenden und indifferent die Bildflache überschauenden Beobachter beschreiben.“(60)
Die statische Greenberg-Position zwischen „otherness“ und „oneness“, am Übergang vom Gesamtüberblick auf die begrenzte Bildfläche bei ausgegrenztem Raumbild zum bildintern schweifenden Nahblick, läßt sich in der Zeitdimension durch den Switch des Beobachters zwischen „oneness“ und „otherness“, Raumbild und Bildraum, wieder auffächern in eine Pluralität von Beobachterpositionen im Realraum. Die Relationierting zwischen dem in verschiedenen Realraum-Positionen Beobachteten führt zu einer beobachterzentrierten Konzeptualisierung des Bildraums.
Greenberg unterstellt, wenn er über den „colourspace“ in Bildern von Clyfford Still, Barnett Newman und Mark Rothko schreibt, eine „conception“, „to suggest indeterminate space“, die durch the exact choices of medium, color, size, shape, and proportion“ erzielt worden sei.(61) Greenberg setzt hier die Suggestion eines Bildraums durch die Abstimmung von „color“, „shape“ und „proportion“ in einem „medium“/Bildträger bestimmter „size“, ohne die Selbstverortung des Beobachters zwischen Bildraum und Raumbild zu reflektieren.
Barnett Newman reflektiert die Relation von Bildraum und Raumbild („environment“) als eine des gegenseitigen Ausschlusses. Newman bestimmt die Relation von „size“ im „environment“ bzw. Bildformat im Realraum zu „scale“ und „place“ bzw. Proporrioniernng des Bildraumes so, daß er einem Bild mit geringer „size“ „scale“(62) zugestehen kann.
Der Beobachter von Newmans zips gerät auch bei Großformaten wie Cathedra (1951) oder Who’s afraid of red, yellow and blue III (1966-67) nicht unwillkürlich per Bildattraktion in einen ihn umgebenden Farbfeld-Bildraum: Er nimmt zuerst das „environment“ wahr, zu dem sich der „colour space“ „hostile“ verhält. Der „colour space“ offenbart dann seine Charakteristika als Bildraum erst dem Beobachter, der seine Position im Realraum und seine Augenakkomodation auf ihn abstimmt. Andernfalls sieht er nur eine gefärbte Tafel an der Wand, die bei der Orientierung im Raum vernachlässigt werden kann: Raumbild und Bildraum fordern einen jeweils eigenen Focus. Newman gab dem Besucher seiner zweiten Einzelausstellung 1951 in der New Yorker Betty Parsons Gallery einen Hinweis zur Focussierung auf den Bildraum: „The large pictures in this exhibition are intended to be seen from a short distance.“(63) Newman gibt an, wie der Realraum als Zugang/Außenseite zum Bildraum/zur Innenseite genutzt werden kann, wie an der Schnittstelle in den Bildraum als Innenseite geswitcht werden kann.
Die isolierten vertikalen Streifen in hochrechteckigen Bildern wie Onement I, Onement II (beide 1948), Onement IV (1949) oder Be I (1949) werden zu Weichenstellungen der Blickbewegung. Der Blick switcht über den Unterbrecher – den Streifen – und stellt zwischen den unterbrochenen Bildflächen die Einheit wieder her. Die vertikalen Streifen in Newmans Bildern versetzen den Blick in Bewegung und lassen die Bildfläche als pulsierenden Farbraum erscheinen – Allan Kaprow beschreibt diese Zusammenhänge 1963 so: „… as in some of Newman’s paintings where
there is only one vertical, we are compelled to sense such lines as a momentary indication of change of pace, an inflection (as Greenberg puts it) in the slow march of our eyes and body before the canvas. The accent is really on our sensations.“(64)
Die Streifen reflektieren den Switch der Augenakkomodation zwischen Innen/Außen-Außen/Innen bzw. Bildraum/Raumbild in der Relation der Bildflächen dies- und jenseits des bildinternen „stop“: „Not There-Here“.(65) Der auf die Weichenstellung, den vertikalen Streifen zwischen beiden Bildteilen Blickende kann zurückweichen und die Bildgrenze zum Realraum überschreiten, darüber erschreckend, daß sich nicht mehr innerhalb des Bildes ereignet – und doch so viel: Zwischen der Beobachtung des „zip“ als Teil des begrenzten Bildfeldes vom Raumbild-Standpunkt und seiner Beobachtung als Teiler eines infinit erscheinenden Bildraumes (und Ursache seiner Erscheinung als infinit) ergeben sich schon zuviel Beobachter- und „Beobachtungsoperationen“.
Newmans Here-Stelen (Here I-III, bes. III, 1966)(66) teilen die Beobachterposition in einen Fernblick auf das Objekt inklusive Sockel und eine Nahsicht, in der die Stelen das Sehfeld teilen: Die Konzentration auf einen Stelenabschnitt und die Aberration des Blicks von dieser Sehfeldblockade (=“stop“), Zentrierung und Dezentrierung, sind Sehfeldorientierungen in einem als in das Raumbild eingelagert zu denkenden Bildraum. Zur Orientierung im Realraum, zur Erlangung eines mentalen Raumbildes, verändert der Beobachter seinen Standort und switcht zwischen verschiedenen Blickrichtungen (Beobachteroperationen) ebenso wie er zwischen Bildraum und Raumbild und zwischen verschiedenen Bildraumpositionen („Beobachtungsoperationen“) switcht. Der Beobachter wird von Newmans Bildern mit vertikalen Streifen über den bildrauminternen Switch auf seine auch raumintern über „Wendemarken“(67) durch Refokussierung switchende Selbstorientierung verwiesen: Newmans Antwort auf die Minimal Art, die stereometrische Körper ohne Sockel im „environment“ plaziert. Die minimalistischen Installationen aus Relationen zwischen stereometrischen Körpern und Ausstellungsräumen heben die Trennung zwischen Raumbild und Bildraum auf: Die Selbstorientierung des Beobachters im Realraum wird, da der Ausstellungsraum zum Werkraum umfunktionalisiert wird, identisch mit dem Bildraum – es ist kein Switch erforderlich. Barnett Newman differenziert in seinen Streifen-Bildern und Here-Stelen zwischen Raumbild und Bildraum, während die Minimal Art den Bildraum mit dem Raumbild des Beobachters im Werkraum zusammenfallen läßt. Newman antizipiert die Schnittstelle zwischen Raumbild und Bildraum in Zur Rechtfertigung … Der in den Realraum eingelagerte Bildraum bei Newmans Here-Stelen, der die Aufmerksamkeit des Beobachters zugleich einfordert und durch Irritationen zurückstößt, kehrt in den Bildprojektionen im Installationsraum von Zur Rechtfertigung … wieder.
VOM LICHTBAUM ZUM BELEUCHTETEN SENSORENRAUM
Es gibt eine architektonische Art der Relationierung von Raumbild und Bildraum, die den Beobachter auf seine vertikale Position vor dem Bild zurückwirft. Auf seine dank Gleichgewichtssinn(68) vertikal orientierte Selhstverortung wirft Theo van Doesburg in seinen als Gemälde und Wandbilder realisierten Contra-Komposities (ab 1924) den Beobachter zurück. In den Contra-Komposities dienen um 45° geneigte Linien zur Abgrenzung von farbigen und weißen sowie grauen Feldern.(69)
Diese den Beobachter zu architektonischer Selbstverortung entlang der Vertikale seines Gleichgewichtssinnes provozierende Malerei thematisiert noch nicht die Voraussetzung, wodurch der Bildraum im Raumbild erkennbar wird: durch werkexterne Lichtbedingungen.
In Installationen mit lichtemittierenden Medien ergeben sich Relationen zwischen visueller und taktiler Selbstverortung: Gelenktes Licht beleuchtet den Installationsraum unterschiedlich stark und kann vom Beobachter die völlige Umstellung auf taktile Selbstverortung im Realraum ebenso durch zeitweilige Dunkelheit wie durch blendendes Licht erzwingen.(70) In Installationen, in denen der Raum von Bildprojektionen mitheleuchtet wird, muß der Beobachter sein visuelles Raumbild bei wechselnden Lichtverhältnissen auch an taktile und Gravitationserfahrungen rückkoppeln. Die Differenz Sehen/Nicht-Sehen läuft mental bei der Selhstkontextualisierung in
Installationen nut lichtemittierenden Medien mit: Die in „Schemata“ im Gedächtnis aufbewahrte Möglichkeit des Switches visuell/taktil wird durch Abrufen entsprechender „Handlungspläne“ aktualisiert und bei Bedarf in taktilen oder visuellen Operationen realisiert.
In Zur Rechtfertigung … kommt das Licht im Realraum ausschließlich von der durch Rückprojektion von einem CAD-Datengroßbildprojektor bestrahlten Leinwand. Zur visuellen Selbstverortung muß der Beobachter seine Augen an wechselndes Licht anpassen. Da Boden und Wände schwarz sind, sieht der Beobachter nur die Bildprojektion, die Sensoren und das sich an der Deckenarchitektur der Installation brechende Licht. Im Halbdunkel muß der Beobachter bewußter auf taktile Selbstverortung zurückgreifen als bei Tageslicht.
Die Bildbewegungen und die zu ihrer Aktivierung notwendigen Bewegungen zwischen Bodensensoren können den Beobachter in seinem Gleichgewichtsgefühl irritieren. Das Gleichgewichtsgefühl ist einerseits die Basis für die Koordination von Handlungen auf Sensoren, andererseits stellen Bildprogramme wie die Gaswelt, die gleichzeitige Aktivierung mehrerer Sensoren zur Bildbewegung einfordern, den Gleichgewichtssinn auf die Probe: Die Voraussetzung für Bildbewegung ist einerseits die Umsetzung von „Handlungsplänen“ in Körperbewegung mittels Gleichgewichtsgefühl, andererseits verunsichern Körperbewegungen das Gleichgewichtsgefühl. Will der Beobachter/Akteur sich seiner Orientierung an der Vertikalen mittels Gleichgewichtssinns vergewissern, so muß er seine Bewegungen zur Sensorenaktivierung einstellen, wodurch er auch die Bildbewegung zum Stillstand bringt. Bei den kurzlebigen Gasen geschieht dies bald, die anderen Welten sind langlebiger vorprogrammiert und weniger variabel in ihrem Eigenleben. Es ergibt sich eine Spannung zwischen Rückbesinnung auf die Raumorientierung mittels Gleichgewichtsorgan (nervus vestibularis/Vestibularium) und der Konzentration auf die gezielte, schnellstmögliche Bewegung zwischen Sensoren. Ablenkungslose Konzentration auf die Bildbewegung ist nur in ruhiger Körperhaltung möglich. Eine statische Position zwischen Sensoren (bei der Gaswelt auch auf Sensoren) führt aber zum Stillstand der Bildgenerierung. Eine Rezeptionshaltung, die zwischen Sensorenaktivierung und Sehen auf die aktivierte Bildbewegung laufend wechselt, ist naheliegend: Der Blick kommt wegen der „Viabilität“ der Bildprogramme zu spät und die Körperaktion zur Sensorenaktivierung muß zu früh, vor der Rekonstruktion der Bildgenerierung, erfolgen.
Der tektonisch-malerischen Selbstverortung des Beobachters vor van Doesburgs Contra-Komposities antwortet Weibel mit der impliziten Aufforderung zur aktiven Selbstverortung im Duoversum Realraum-Bildraum: Die Repositionierung im abgedunkelten Raum, die Augenakkommodation sowie der mentale Switch zwischen Raumbild und Bildraum aktivieren den Gleichgewichtssinn, indem sie ihn irritieren. Diese Dynamisierung der Selbstverortung im Duo-Pluriversum löst nicht die Orientierung des Gleichgewichts an horizontalen und vertikalen Achsen auf, sondern setzt diese als Teil der Bewegungskoordination voraus. Visuelle und taktil-gravitationsorientierte sowie bildräumliche und raumbildliche Orientierung hängen miteinander durch die Ausbreitung der Sensoren im Raum, die Art der an die Sensoren gekoppelten Programmfunktionen und die der Installationsbeleuchtung zusammen.
In Installationen werden u. a. Lichtbildmuster durch Projektionsgeräte im Raum (freistehende, isolierte und zu Türmen und Wänden kombinierte Monitore) und Projektoren auf Böden, an Wänden und Decken erzeugt(71), dabei die Einheit eines Denkbildes/Konzeptes vom Realraum durch plurale Licht(bild)orte problematisierend: Das Raumbild als Bild eines Kastens mit Boden, Wänden und Decke wird aufgelöst in ein Gleiten zwischen Hell-Dunkel-Zonen. Nach minimalistischen Installationen werden in Installationen mit lichtemittierenden Medien die Mittel, den Realraum in einen Bildraum mit in ihm sich bewegendem Beobachter zu überführen, zum einen ausdifferenziert, zum anderen wird das Duoversum Raumbild-Bildraum wiederbelebt.(72) Zur Rechtfertigung … belebt die Komplexität von Trennung und Beziehung zwischen Raumbild und Bildraum nach Pollock, Newman sowie James Turrels Prado Series(73) neu. Die minimalistische Expansion des Bildraums in den Realraum wird auch von Weibel wieder zurückgenommen: Der Bildraum besteht wieder aus einem rechteckigen Feld mit visuellen Zeichen – im Unterschied zu Gemälden und Turrells Prado Series jedoch mit bewegten Zeichen aus gelenktem Licht.
Die Steuerbarkeit der Bildbewegung durch Beobachterbewegung wird in Zur Rechtfertigung … beeinflußt vom bewegten Lichtbild, dessen Projektion auch die Raumbeleuchtung liefert: Das zu Steuernde beeinflußt den Steuernden. Sehen in Bewegung (des Körpers), Bewegtes (Bildtransformationen) sehen und Bewegung im Sehen (Sehbewegung der Augen(74)) durchkreuzen und ergänzen sich in Beobachterprozessen.
Weibel koordiniert diese Sehen-Bewegung-Kombination durch die Sensor/Bild-Relation in einer zur Ausdifferenzierung von Beobachterebenen provozierenden Weise, deren Komplexität die Beobachterebenen in Installationen mir Gemälden und lichtemittierenden (auch Bild-)Medien durch die Pluralisierung der Bildwelten überschreitet.
IV. Resümee
Weibels Closed Circuits (s. Abschnitt II, S. 34 – 40) sind betretbare Beobachtungsmodelle, die die Relation von Konzept und Kontext problematisieren. Im Vergleich zu Videoinstallationen der siebziger Jahre überrascht die „Polykontexturalität“, die den narzißtischen Aspekt des Selbstbildes im Monitor aufhebt durch die Provokation, sich selbst zugleich im Raumbild und im Bildraum zu verorten, ohne zwischen beiden eine Synthese herstellen zu können.
Nicht mehr wird rekurriert auf eine Welt physischer Kräfte als Primärursache der Erfahrung, auf die Annahme, daß es der Erfahrung gegebene, erste Objekte gäbe, sondern in Weibels Closed Circuits wird modellhaft der Prozeß der Produktion you Welt durch den Erfahrenden, als von ihm erzeugte doppelte Konzeptualisierung von Selbst und Welt/Nicht-Selbst, vorgestellt.
In Weibels reaktiven Installationen werden in einer Kybernetik erster Ordnung Schaltkreise aufgebaut (Physik), die einerseits rekonstruierbar sind (Kybernetik erster Ordnung: Elektrotechnik) und andererseits Handlungskontexte bilden, die das Gedächtnis des Beobachters aktivieren (Kybernetik zweiter Ordnung mit Brechungen in Biologie, Endophysik, Psychologie und Soziologie). Die Bedeutung der reaktiven Installationen liegt in den Konzeptualisierungen von pluralen Standpunkten, die sie vom Beobachter einfordern. Die in Exit (s. Abschnitt I, S. 33) aufgeführte aktionistische Kritik des Kino-Zuschauerraums als Ort für eine passive Konsumtion fiktionaler Bildwelten überführt Weibel in eine aktive plurale Selbstverortung in reaktiven Echtzeit-Systemen.
Weibel dekonstruiert in Zur Rechtfertigung … (s. Abschnitt III, S. 40 55) die Situation des Spielers
am Monitor, der vergißt, daß er nicht fährt oder feuert, sondern Taten drückt oder Joysticks berührt: Dieser Spieler vergißt die reale Seite der Schnittstelle und die Substituierbarkeit der jeweiligen virtuellen Spielwelt. Die Illusionswelten der Fiktionsmaschinen der Massenmedien – des Kino- und Fernsehfilms wie der Computerspiele – werden in Weibels reaktiver Installation Zur Rechtfertigung … redimensioniert durch die Reduktion der „externen Referenz“ auf ein beschränktes, keine Akteure simulierendes Zeichenarsenal und in ihrem Ein-Welt-Illusionismus relativiert. Das Duoversum Raumbild-Bildraum wird durch die Notwendigkeit der synchronen Selbstverortung auf den Sensoren im Realraum und im virtuellen Bildraum gebildet. Vier Bildwelten wiederum provozieren zu alternativen Bildrattmkonzepten: Pluri-Konzeptualität auf der Bildseite des Duoversums.
Werkgröße, Architektur des Ausstellungsraumes, Distanz und Augenakkommodation des Beobachters sind Realweltvariablen einer Gleichung für reaktive Installationen, die den Zusammenhang dieser Variablen mit Bildratumvariablen definiert.(76) In Zur Rechtfertigung … sind die Größen des Ausstellungsraumes durch die Installationsarchitektur festgelegt, wird die Distanz des Beobachters zur Bildprojektion von den Sensoren determiniert sowie die Bildwelt pluralisiert und verzeitlicht in einer Weise, die eine dynamische Selbstverortung des Beobachters in dem Duoversum von Raumbild und Bildraum und der Relation „oneness“/“otherness“ einfordert. „Oneness“ steht für die mentale Selbstverortung des Beobachters im Bild(raum) oder im Raum(bild), „otherness“ für die zwischen Bild- und Realraum switchende mentale Selbstverorrung, für eine Innen-/Außen-Relation an der Schnittstelle mir wechselnden Positionen für Bildraum und Raumbild.
(1) Vergleichbar in der Weiterentwicklung reaktiver Installationen parallel zur technologischen Innovation sind Myron W. Krueger, Jeffrey Shaw und Woody Vasulka, bei denen Medienkritik nicht die Rolle spielt, die ihr Weibel von Anfang an zukommen ließ.^
(2) P. Weibel (Mitarbeit V. Export), Bildkompendium Wiener Aktionismus und Film, Frankfurt a. M. 1970, S. 259; B. Hein, Film im Untergrund, Frankfurt a. M. 1971, S. 143 – 157; P. Weibel, Mediendichtung, Protokolle, 2/82, München, Wien S. 89 ^
(3) „Cult of the Difficult“: L. Lippard, Cult of the Direct and the Difficult (1966), neu in: dies., Changing: Essay’s in Art Criticism, New York 1971, S. 112 – 119
„Modernism“: Über das „Medium“ selbstbezüglicher Kunst paradigmatisch C. Greenberg, Towards a Newer Laocoon (1940), neu in: ders., The Collected Essays and Criticism, vol. I, Chicago 1986, 1988², S. 23 – 38 (vgl. S. 50 mit Anm. 60) ^
(4) P. Weibel, Mediendichtung, s. Anm. 2, S. 118: Kat. Video-Skulptur …, Kölnischer Kunstverein, Köln 1989, S. .303f; P. Weibel, Virtuelle Realität: Der Endo-Zugang zur Elektronik, in: Cyberspace: Zum medialen Gesamtkunstwerk, hsgg. mit F. Rötzer, München 1993, 5. 38ff ^
(5) P. Weibel, Mediendichtung, s. Anm. 2, S. 172f, 180 – 185; Kat. Peter Weibel, Inszenierte Kunst-Geschichte, Museum für Angewandte Kunst, Wien 1988, S. 128f, P. Weibel, Virtuelle Realität …, s. Anm. 4, S. 40ff ^
(6) Weibel erweitert hier die Filminstallation possible, 1969 (P. Weibel, Medichtung, s. Anm. 2, S. 95; s. Abb. S. 46) ^
(7) Hier im Anschluß an P. Weibel, Medichtung, s. Anm. 2, dokumentierte Closed Circuits mit Mischer: Videomaus, 1982 (WV 7); Wasserwürfel, 1988 (WV 67); Scanned Space, 1990 (WV 89); Jede(r) ist jede(r). Jede(r) ist der/die andere für jede(n), 1993 (WV 115); Zeitmauer: Tertium datur, 1993 (WV 117) ^
(8) „expliziter (mikroskopisch beschriebener) interner Beobachter“: O. E. Rössler, Endophysik. Die Welt des inneren Beobachters, Berlin 1992, S. 9f, (Vorwort P. Weibel), 97ff. 162; O. E. Rössler, Endophysik. Physik von innen, in: Kat. Ars Electronica ’92, Die Welt von innen: Endo & Nano, Linz 1992, S. 49 – 55; P. Weibel, Die Weit von innen: Endo & Nano, s.o., S. 11; P. Weibel, Über die Grenzen des Realen: Der Blick und das Interface, in: Der Entfesselte Blick …, Hg.: G. J. Lischka, Bern 1992, S. 239 ^
(9) „Beobachtung von Beobachtungen“, „Beobachtung“ und „Beobachtungsoperationen“: N. Luhmann, Soziale Systeme …, Frankfurt a. M. 1987, S. 63, 244f, 407f, 457, 468ff, 492f, 590 mit Anm. 61, 650f, 654; P. Fuchs, N. Luhmann, Reden und Schweigen, Frankfurt a. M. 1989, S. 10f, 178; N. Luhmann, Die Ausdifferenzierung des Kunstsystems, Wabern-Bern 1994, S. 77 – 80; N. Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M., 2. Auflage, 1994, S. 14ff, 72 – 87, 97ff. 115; N. Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1995, S. 38, 65 – 72; D. Baecker, Die Kunst der Unterscheidungen, in: Im Netz der Systeme, Hg.: Ars Electronica, Berlin 1990, S, 7 – 39; D, Baecker, Überlegungen zur Form des Gedächtnisses, in: Gedächtnis …, Hg.: S. J. Schmidt, Frankfurt a. M. 1991, S. 348f, 353; D. Baecker, Kybernetik zweiter Ordnung, in: Wissen und Gewissen H. Foerster, Frankfurt a. M. 1993, S. 17 – 23 ^
(10) P. Weibel, Der künstliche Wille, elektronische Medienoper 1984 (WV 17), 9. Akt; P. Weibel, Der künstliche Wille. Das theoretische Fundament der elektronischen Medienoper; in: Kunstforum, Bd. 77 – 78, 1985. S. 86 ^
(11) C.S. Pierce, Phänomen und Logik der Zeichen (1903), Frankfurt a. M. 1983, S, 57; über die Relation Drittbeit-Zweitheit: ,,Drittheit fidnen wir überall dort, wo ein Ding eine Zweitheit zwischen zwei Dingen erzeugt. In allen diesen Dingen wird man finden, daß das Denken eine Rolle spielt … Drittheit [besteht] in der Ausbildung einer Verhaltensweise.“ Zweitheit und Drittheit sind wechselseitig aufeinander bezogen (vgl. P. Weibel, Mediendichtung, s. Anm. 9, S. 150). Zur Differenz Beobachten-Handeln: „Als kommunizierbare Differenz von Handeln und Beobachten [Zweitheit] ist Selbstbeobachtung [Drittheit] diejenige Operation, die dem Strukturaufbau sozialer Systeme zugrunde liegt, die ihn betreibt.“ (N. Luhmann, Soziale Systeme, s. Anm. 9, S. 408) ^
(12) vgl. N. Luhmann, Soziale Systeme, s. Anm. 9, S. 22 – 25, 289 – 300; über die „Theorie selbstreferentieller Systeme“, die „Leitdifferenz System/Umwelt“ und „Interpenetration“; D. Baecker, Die Kunst, s. Anm. 9, S. 16ff.
Zur Differenz Beobachter/“Beobachtungsoperation“ (s. Anm. 9): Beobachtungsoperationen sind Aktionen eines Körpers im Realraum, die von „Beobachtungsoperationen“ gesteuert werden. In „Beobachtungsoperationen“ werden „Denkschemata“ in „Handlungspläne“ (s. Anm. 35) umgesetzt. In Beobachteroperationen werden die „Handlungspläne“ realisiert. In Beobachteroperationen wie Gehen und Augenbewegungen werden Daten gesammelt, die in „Beobachtungsoperationen“ zu einer Repräsentation von Wirklichkeit verarbeitet werden. Die repräsentierenden „Denkschemata“ wiederrum liegen den „Handlungsplänen zugrunde, mittels derer Beobachteroperationen koordiniert werden. ^
(13) P. Weibel, Mediendichtung, s. Anm. 2, S. 150
Charles S. Pierce über „Icon“, „Index“ und „Symbol“: C.S. Pierce, Phänomen, s. Anm. 11, S. 64ff, 124f ^
(14) J. Lacan, Le Séminaire, livre XI: Les quatre concepts fondamentaux de la psychanalyse, Paris 1973, S. 76 – 80, bes. S. 79; „Le regard se voit … Ce regard que je recontre … est, non point un regard vu, mais un regard par moi imaginé au champ de l’Autre.“ Vgl. P. Weibel, Logo-Kunst, in: Philosophen-Künstler, Hg.: G.J. Lischka, Berlin 1986, S. 98: „Das Unbewußte wird zum eigentlichen Betrachter.“ ^
(15) Selbst und Nicht-Selbst: C. S. Pierce, Phänomen, s. Anm. 11, S. 55: „Ich und Nicht- Ich“. Robert Smithson referiert auf „self and the non-self“ bei Anton Ehrenzweig in: R. Smithson, A Sedimentation of the Mind: Earth Projects, in: Artforum, September 1968, S. 46. Smithson kritisiert eine idealistische Kunstkritik (Michael Fried), die „Nicht-Selbst“ nur als Teil des „Selbst“ (als durch das „Selbst“ vermittelt und in ein „Selbst-Selbst“ aufgehoben) denken kann. Smithson besteht auf der unaufhebbaren Komplementarität von „Selbst“ und „Nicht-Selbst“. Vgl. A. Ehrenzweig, The Hidden Order of Art …, London 1967, S. 263: „The ego of its own accord – and to this extent autonomously – decomposes itself in order to provide new serial structures for its own creative tasks in the exterbak wirkd as wekk as for the symbolization of internal id phantasy. It makes little sense to call this periodic decomposition of the surface ego a regression. It is part and parcel of the ego rhythm which makes perception work.“ Vgl. J. Lacan, Le stade du mirroir comme formateur de la fonction du Je … (1949), in: ders., Ecrits I, Paris 1966, S. 94.: „Ainsi la rupture du cercle de l’Innenwelt à l’Umwelt engendre-t-elle la quadrature inépuisable des récolements du moi.“ (Dazu J. Kristeva,Geschichten von der Liebe, Frankfurt a.M. 1989, S. 45 – 49, Kapitel „Nicht (m)ich“ über „Abjekt“)
Vgl. mit der psychologischen Begründung des Mangels an restloser Vermittlung des „Nicht-Selbst“ mit dem Selbst die systemtheoretische, die psychologische entdramatisierende Begründung einer immer doppelten Setzung von „Selbst“ und „Nicht-Selbst“: “ … Selbstreferenz kann in der aktuellen Operation des Systems nur realisiert werden, wenn ein Selbst (sei es als Element, als Prozeß oder als System) durch es selbst identifiziert und gegen anderes different gesetzt werden kann. Systeme müssen mit der Differenz von identität und Differenz zurechtkommen, wenn sie sich als selbstreferentielle Systeme reproduzieren …“ (N. Luhmann, Soziale Systeme, s. Anm. 9, S. 26) Vgl. D. Baecker, Die Kunst, s. Anm. 9, S. 23f: „Während Fichtes Philosophie dann jedoch vor allem um die Voraussetzungen der Reflexion, die Setzung eines Nicht-Ich durch das Ich, kreist, sind Schlegel und Novalis eher an den Folgen interessiert, nämlich an der Unendlichkeit der Reflexion, die Reflexion nur ist, weil und indem sie sich auf frühere Akte der Reflexion bezieht und spätere Akte der Reflexion ihr folgen. Heute würde man mit Humberto Maturana von Autopoiesis sprechen.“ Über infinite rekursive kognitive Prozesse: H. Foerster, Wissen und Gewissen, Frankfurt a.M. 1993, S. 33ff, 55; vgl. über „re-entry“ („Wiedereintritt“) als Rekomposition des Dekomponierten im „ego rhythm“ der „Autopoiesis“: N. Luhmann, Soziale Systeme, s. Anm. 9, S. 610ff; P. Fuchs, N. Luhmann, Reden, S. Anm. 9, S. 13 ^
(16) Jacques Lacans „Vier Diskurse“: J.. Lacan, Radiophonie, in: Silicet, No. 2/3, Paris 1970, S. 55 – 98; ders., Livre XX, Encore (l972 – 73): A. Jakobson, Paris 1975, S. 21; M. Andrès, Lacan et la question métalangage, Paris 1987, S. 115 – 119; P Widmet, Subversion des Begehrens …, Frankfurt a.M. 1990, 5. 129 – 144 ^
(17) J. Kristeva, La révolution du language poétique, Paris 1974 1985², S. 136. [5. Freud, Die Verneinung (1925), in: ders., Gesammelte Werke, Bd. XIV, Frankfurt a.M. 1968, 1987², S. 12f] ^
(18) J. Kristeva, La révolution, s. Anm. 17,S. 136 ^
(19) P. Fuchs, N. Luhmann, Reden, s. Anm. 9, S. 184 – 208, bes. S. l88f zu den zirkulären Folgender Annahme einer Verhalten beeinflußenden, aber nicht bewußten psychischen Energie für die Psychotherapie und S. 208 mit der Forderung einer „beobachtungstechnischen Reformulierung“ „des Schemas bewußt/unbewußt“. Vielleicht liefern Closed Circuits brauchbare Modelle zur Integration von Erfahrungen mit Unbewußtem in Kommunikationen über Beobachterrelationen. Gegen die „asymmetrisierende Inszenierung des psychoanalytischen Settings“ (S. 203): Wäre bei Closed Circuits nicht der Psychoanalytiker auch Patient (=Beobachter im Closed Circuit-System) und der Patient Psychoaisalytiker (=über mögliche Beobachterstandpunkte reflektierend), wenn beide über projektive Rezeptionsmöglichkeiten einer Modellsituation kommunizieren? ^
(20) Kant über das „Sublime“/“Erhabene“: „Das Gefühl des Erhabenen ist also als Gefühl der Unlust, aus der Unangemessenheit der Einbildungskraft in der ästhetischen Größenschätzung, zu der Schätzung durch die Vernunft, und dabei zugleich erweckte Lust, aus der Übereinstimmung eben dieses Urteils der Unangemessenheit des größten sinnlichen Vermögens mit Vernunftideen, sofern die Bestrebung zu denselben doch für uns Gesetz ist.“ (I. Kant, Kritik der Urteilskraft, Frankfurt a.M. 1977,S. 180f, 27, Vgl. J. F. Lyotard, Réponse à la question: Quest-ce que le postmoderne?, in: Critique No. 419/Avril 1982, S. 363: „Le sentiment sublime, qui est aussi le sentiment du sublime … se développe comme un conflit entre les facultés d‘un sujet, la faculté de concevoir quelque chose et la facultés d’un présenter quelque chose“. Vgl. G. Deleuze, Kants kritische Philosophie (1963), Berlin 1990, S. 108: „Weil der Einbildungskraft ihre Grenze durch etwas, das sie von allen Seiten überschreitet, vergegenwärtigt wird, überschreitet sie selbst ihre eigene Grenze. Zwar auf negative Weise, indem sie sich die Unzugänglichkeit der Vernunftidee vorstellt und aus dieser Unzugänglichkeit selbst etwas in der sinnlichen Natur Gegenwärtiges macht … nicht nur die Vernunft hat eine übersinnliche Bestimmung, sondern auch die Einbildungskraft.“ ^
(21) F. Rötzer, Von Beobachtern und Bildern erster, zweiter und dritter Ordnung, in: Kat. Ars Electronica 92, s. Anm. 8, S. 35f ^
(22) „dé-syn-thétiser“: Kristeva, La révolution, s. Anm. 17, S. 68. Vgl. mit Kristevas De-Syn-Thetisierung Anton Ehrenzweigs „de-differentiation“ nach erreichter, auf „undifferentiation“ folgender Entwicklungsstufe der „differentiation“ (A. Ehrenzweig, The Hidden Order, s. Anm. 15, S. 5 – 20, 177, 294f; R. Smithson, A Sedimentation, s. Anm. 15, S. 45f). ^
(23) „Floating Signifyer“: „La notion d’un glissement incessant du signifié sous le signifiant …“ (J. Lacan, L’instance de la lettre dans l’inconscient … (1957), in: ders., Ecrits I, s. Anm. 15, S. 260) Lacan spricht hier nur vom Gleiten der Signifikate unter den Signifikanten. Über das Gleiten der Signifikanten schreibt er im folgenden: „C’est qui ne lui [Freud] échappe pas l’importance primordiale des pensées-demémoire (Erinnerungsgedanken) dans l’économie psychique, et qu’il en indique aussitôt la preuve dans l’usage poétique et musical de la reprise modulatoire.“ (J. Lacan, D’une question préliminaire à tout traitement possible de la psychose (1957 – 58), in: ders., Ecrits II, Paris 1971, S. 52). „La reprise modulatoire“ kann als „un glissement [des signifiants]“ bezeichnet werden. ^
(24) Kat. Peter Weibel, Zur Rechtfertigung der hypothetischen Natur der Kunst und der Nicht-Identität in der Objektwelt, Hg.: R. Fleck, Köln 1992; T. Locher, Peter Weibel bei Tanja Grunert und Michael Janssen, in: Texte zur Kunst, Oktober 1992, S. 196 – 199; Der entfesselte Blick …, Hg.: G. J. Lischka, s. Anm. 8, S. 248ff; G. A. Goodrow, Cologne: Peter Weibel, Tanja Grunert, in: Art News, January 1993,S. l53f; M. Dery, Art Goes High Tech, in: Art News, February 1993, S. 81; Plate-Position-Presentation-Public, Hg.: 1. Gevers, Jan van Eyck Akademie, Maastricht/Amsterdam 1993, S. 229, 231; Kat. Peter Weibel, Hypothetische Produkte. Vom Elend der Privilegien, Hg.: P. Teichgräber, Wien 1994, o. P; M. Klein, P. Weibel, Chaos Cube, in: Zyma, Juni/Juli 1994, S. 19ff ^
(25) T. J. Clark, Jackson Pollocks Abstraction, in: Reconstructing Modernism …, Hg.: S. Guilbaut, Cambridge/Mass. 1990, S. 194 ^
(26) G. Deleuze, F. Guattari, Tausend Plateaus, Berlin 1992, S. 73f, 76f, 80, 86. Hier werden die Begriffe „Epi-“ und „Parastrata“ in einem rein syntaktischen Sinn verwendet, während Deleuze/Guartari unter „Parastrata“ „Formen oder Formtypen im Verhältnis zu Populationen“ voraussetzen, die aus „Epistrata“ als „Muster von Milieus und Materialien“ bestehen. „Parastrata“ setzen bei Deleuze/Guattari „Epistrata“ bzw. „Muster von Milieus“ voraus. ^
(27) G. Deleuze, Le pli: Leibniz et le Baroque, Paris 1988, S. 125 ^
(28) J. F. Lyotard, Die Analytik des Erhabenen. Kant, Lektionen …, München 1994, S. 89f ^
(29) R. Krauss, La pulsion de voir, in: Les Cahiers du Musée National d’Art Moderne, No.29/Automne 1989, S. 41. Über die optischen Scheiben von Marcel Duchamp: Kat. Marcel Duchamp, Museum Ludwig, Köln 1984, S. 174 – 181; D. Daniels, Duchamp und die anderen, Köln 1992, S. 122ff, 278f ^
(30) P. Weibel, in: Cultura Digitalis: Die Beschleunigung der Bilder, T. Schmitt, WDR 1993 (TV Sendung) ^
(31) „Sehmuster“ und „Wahrnehmungsbilder“: R. Arnheim, Kunst und Sehen, Berlin, New York 1978, S. 38, vgl. S.439. Informel: Signifiants de l‘Informel, Studio Fachetti, Paris 1951 (Organisator: Michel Tapié de Céleyran; ausgestellte Künstler: Dubuffet, Fautrier, Mathieu, Michaux, Riopelle, Serpan); Kat. Informel, Teil I: Zur Struktur einer anderen Zeit, Städtisches Museum Leverkusen, Schloß Morsbroich 1973, bes. S. 18f. Tachismus: z.B. P Guéguin, Matièr et Maîtrise, in: Art Aujourdhui, Mars-Avril 1954; K. J. Fischer, Was ist Tachismus?, in: das kunstwerk, Heft 5, 1955/56, S. 17 – 21; G. Mathieu, Au delà du Tachisme, Paris 1963, S. 88f ^
(32) „interne“ und „externe Referenz“: P. Weibel, Die Welt der virtuellen Bilder …, in: Camera Austria, Nr. 46, 1994, S. 48 ^
(33) Konträre Raumkonzepte/Raumbilder sind:
1. gegebene Raumachsen, in die Objekte plaziert werden;
2. Raumkonstitution durch Elementkonstellationen.
(H. J. Albrecht, Skulptur im 20. Jahrhundert …, Köln 1977, S.42 – 46) ^
(34) D. H. Kahnweiler, Der Weg zum Kubismus (1914 – 28), Stuttgart 1958, S. 38, 117 ^
(35) J. Piaget, Einführung in die genetische Erkenntnistheorie, Frankfurt a.M. 1981, S. 51, 101 mit der Unterscheidung zwischen „schème“ und „schéma“, hier übertragen in die Unterscheidung zwischen Handlungsplan für die „réalisation“ (s. Anm. 41) von Handlungen in Kontexten und (Konzept/Denk-)Schemata. ^
(36) P. Weibel, Die Beschleunigung der Bilder in der Chronokratie, Bern 1987, S. 96 ^
(37) „Endo-/Exo-Schnittstelle“: O. E. Rössler, Endophysik: Die Welt, s. Anm. 8, S. 117; P. Weibel, Virtuelle Realität, s. Anm. 4, S. 37; P. Weibel, Über die Grenzen, s. Anm. 8, S. 239ff ^
(38) O. E. Rössler, Endophysik: Die Welt, s. Anm. 8, 5. 155, vgl. S. 127f; vgl. P. Weibel, Über die Grenzen, s. Anm. 8: „Der Mensch kann aber zu einer Zeit nur ein Universum wahrnehmen.“ (S. 232)
„Der Fall des dauernden Springens in der Zeit von einer einzigen Realität, einer einzigen Welt, die zu jedem Jetzt korreliert ist (dies ist die Interpretation der Viel-Welten-Theorie durch David Deutsch), zur nächsten Realität, ohne daß wir es wahrnehmen, ist möglich.“ (S. 234) ^
(39) O. E. Rössler, Endophysik: Die Welt, s. Anm. 8, S. 167. ^
(40) P. Virílio, Die Große Optik, in: Kat. Peter Weibel, Zur Rechtfertigung, s. Anm. 24, S. 79f ^
(41) Zu „actualisation“ und „réalisation“ vgl. G. Deleuze, Le pli, s. Anm. 27, S. 139f ^
(42) G. Deleuze, Le pli, s. Anm. 27, S. 139ff ^
(43) Die Bestimmung der „matière“ bzw. des Kontextes einer virtuellen Welt bedarf der Problematisierung: dies ist nur möglich im Rekurs auf die „forme“ der Modellwelt. Mit Luhmanns Differenzierung „Medium/Form“: Die „forme“ der Modellwelt ist das „Medium“ und die „matière“ die „Form“. Es ergibt sich eine „Zwei-Seiten-Form“ aus „forme“ des „Mediums“ und der „Form“ einer virtuellen „matière“ (N. Luhmann, Weltkunst, in: Unbeobachtbare Welt. Über Kunst und Architektur, Hg.: D. Baecker, F. D. Bunsen, N. Luhmann, Bielefeld 1990, S. 10, 20). Die „matière“ virtueller, reaktionsfähiger Welten läßt sich als formalisierte, als mediatisierte Form (deren feste Koppelungen in Reaktionsmöglichkeiten bestehen), als konzeptualisierter Kontext und aktualisierte „réalisation“ beschreiben. Der Begriff „Kontext“ umfaßt „actualisation“ und „réalisation“ einer Konzeptwelt. ^
(44) R. U. Schneider, Ein Dollar pro Leben, in: Die Zeit, Nr. 14, 1.4. 1994, S. 65 ^
(45) In T. Pratchett, Nur Du kannst die Menschheit retten, München 1994 (auf engl.: Only You Can Save the Mankind, London 1992), S. 19 muß sich der Spieler von den Kriegern vorhalten lassen: “ … wir sterben … Aber DU lebst wieder.“
Pratchett etabliert im Verlauf der Handlung zwei Schnittstellen in reaktive Programme: Eine bei Bewußtsein über elektronisches Interface und eine im Traum, wobei der Träumende in der Programmwelt sich bewegt und nur Traumgestalten begegnen kann, die ihm vorstellbar sind. Dabei kann der Träumende die Spieler an Manuals von der Traum-/Programmwelt aus sehen und erleben, was diese den virtuellen Spielern – auch ihm als Teil ihrer Welt – antun können. Begegnen sich zwei Träumer, müssen beide mit den Ausgeburten ihrer Phantasien sich auseinandersetzen: Sie erträumen sich gemeinsam Variationen der vorgegebenen Programmwelt. Diese ist eine Art interaktiver Phantasiewelt, rückgekoppelt an eine programmierbare Innenwelt mit von innen sichtbaren Außen-Zugängen. Pratchett thematisiert den Übergang von einem Spieler, der ungefährdet von einem Realraum aus Tasten betätigt, zum Eintritt in den virtuellen Raum in einer Art verlebendigter Endo-Beobachter-Verdoppelung: Der Beobachter agiert nicht mehr ausschließlich über die Schnittstelle, sondern bewegt sich auch in der virtuellen Welt, hat dort seinen eigenen Körper. Die „réalisation“ in der virtuellen Welt ist bei Pratchett nicht nur eine aktuale, sondern auch eine reale „réalisation“. ^
(46) G. W F. Hegel, Phänomenologie des Geistes (1807), Frankfurt a.M. 3.A. 1977, S. 186f ^
(47) Beobachtung der „Beobachtung von Beobachtungen“/“Beobachtung dritter Ordnung“: N. Luhmann, Weltkunst, s. Anm. 43, S. 23ff ^
(48) Abweichungen zwischen der Konzeption des „internen Beobachters“ von Rössler (s. Anm. 8) und Luhmanns Konzeption der „teilnehmenden Beobachtung“ (N. Luhmann, Soziale Systeme, s. Anm. 9, S. 247f) thematisierte Weibel trotz seiner Kombination von Luhmanns und Rösslers Ansätzen (P. Weibel, Über die Grenzen, s. Anm. 8, S. 239f) bislang nicht. Luhmann konzipiert „teilnehmende Beobachtung“ von einem externen Standpunkt, da er vermeiden will, daß „Personen in alter Weise als Teile sozialer Systeme behandelt“ (ebda, S. 248) werden. Luhmann konzipiert einen Ebenensprung zwischen realem Standort des Beobachters und seiner theoretischen (Selbst-)Verortung: „Die Unterscheidung von externer und interner Beobachtung setzt ihrerseits die System/Umwelt-Differenz schon voraus. Sie dient als Unterscheidung zur Beobachtung des Beobachtens … (ebda, S. 248) Zwischen dem Handlungskontext, der beobachtet wird, und dem Konzept, das der Beschreibung des Beobachteten zugrunde liegt, besteht eine Ebenendifferenz. Die Abstraktionsebene fällt vom Beschreibungskonzept zur Beschreibung zum Handeln (Beobachteroperationen) im beschriebenen Kontext (vgl. Anm. 41).
„Interne Beobachtung“ bezieht Luhmann offensichtlich auf das Sammeln von Information im Kontext, „externe Beobachtung“ auf die Ausdifferenzierung der Beschreibung/Konzeptualisierung dieses Kontextes mittels Systemtheorie. Diese Ausdifferenzierung rekonstruiert die Kontexte/Systeme, in denen „interne Beobachtungen“ durchgeführt wurden, auf expliziter konzeptueller Basis: Die gesammelten Informationen werden auf theoretischer Ebene in Zusammenhänge gestellt, von denen anzunehmen ist, daß sie in diesen implizit schon standen, als sie intern beobachtet wurden.
Rössler semantisiert „Beobachtung“ nicht wie Luhmann im Hinblick auf Beschreibung von Handlungskontexten, sondern im Hinblick auf Beobachteroperationen, auf die Datenbeschaffung. Der konzeptuelle Beobachter wird in der Nanophysik als Teil einer Mikrowelt kontextualisiert: Er ist ein für die Erforschung eines mikroskopischen Kontextes geschaffenes Konzept. Analog dazu konzipieren Rössler und Weibel den „expliziten internen Beobachter“ in virtuellen Welten: Ein Beobachter bedient virtuelle Welten von außen, ist aber zugleich Teil des Programmierten, in dem er sich bewegen kann. Die Art, wie er sich in der Programmwelt bewegen kann, ist als die Art aufzufassen, wie er als „interner Beobachter“ operieren kann. Was der „interne Beobachter“ ist, bestimmen die programmintern vorgesehenen Reaktionsmöglichkeiten auf Sensorenaktivierung/Input (O. E. Rössler, P. Weibel, Unsere Regenbogenwelt, in: Kat. Ars Electronica ‘92, s. Anm. 8, S. 14f).
Rössler konzipiert den Zugang zur Endo-Seite von einer Exo-Seite aus, in externer Beobachtung. Die höhere, konzeptuelle Exo-Ebene muß an die Endo-Ebene anschließen, um Informationen über eine Welt zu erhalten. Ob sich die Welt analog zu uns verschiebt, kann jedoch von der Endo-Ebene aus nicht wahrgenommen werden. Wir sind unfähig, Verschiebungen unseres Körpers ohne Relation zur Welt wahrzunehmen („Boscovich-Kovarianz“, s. O. E. Rössler, Endophysik: Die Welt, s. Anm. 8, 5. 119 – 151), und wenn wir sie wahrnehmen, dann ist unser Beobachterstandpunkt nicht mehr Teil der Welt. Koverzerrungen von Welt und Beobachter sind intern nicht beobachtbar und extern nur als Möglichkeit denkbar. Die Exo-Ebene wird konzeptualisiert als theoretische Ebene, an die sich Informationen über Beobachtetes nur über das Interface zur Endo-Welt anschließen lassen. Modelle von Wahrnehmungsprozessen in der Endo-Welt sind nicht auf der Exo-Ebene, sondern unterhalb der Endo-Ebene ansiedelbar. Der Prozeß der Konzeptualisierung des Beobachtens bleibt somit in der Endophysik Angelegenheit des „internen Beobachters“, der als Teil der beobachtbaren Welt kontextualisiert werden muß. Das aber entspricht der „alten Weise“, die Luhmann überwinden will. Für Rössler ist Beobachten Handeln in einem (z. B. mikroskopischen) Weltmodell, Luhmann dagegen konstruiert die Differenz Beobachten von Weltmodellen – Handeln in Weltmodellen als maßgebend.
Eine Methodik zur Analyse reaktiver Installationen muß beides berücksichtigen: Beobachtung als distanzierte Rekonstruktion bzw. Beschreibung und Beobachtung des sich in Bewegung in einem Kontext/System verortenden Akteurs. Cartesianische Selbsrverortung in einem Weltmodell mittels Explikation der in dem Modell enthaltenen Beobachtereigenschaften und Generierung von (theoretischen) Beobachterebenen (entlang der Differenz von externer Beobachtung (Ebene n+1) und interner Beobachtung (Ebene n) sind zu kombinieren. Problematisch ist dabei die Relation Beobachter-Beobachtungsform (Beschreibung, Wahrnehmung). Bei Rössler enthält die Explikation der Beobachtereigenschaften eine Definition des in einer konstruierten Welt Beobachtbaren. Luhmanns Leitdifferenz Faktisches/Mögliches bzw. handeln/beobachten will dazu verhelfen, im Unterschied zu Rössler die Definition nicht die Handlungsfelder eindeutig bestimmen zu lassen, sondern aus vorfindbaren Handlungen mittels Beschreibung bestimmen zu können, in welchen Bezugsfeldern diese Handlungen stehen. Rössler konstruiert Beobachtbares und Beobachtende in einer Konzeptwelt, Luhmann geht von gegebenen sozialen, psychischen und anderen Systemen aus. Reaktive Installationen sind Konstruktionen von Welt mit Beobachtermöglichkeiten (Endophysik) und beziehen sich auf sozial vorgegebene Erwartungshaltungen des Publikums (Systemtheorie). Ein Beobachter kann einem Beobachtungsmodell auf einer Ebene begegnen, die unterhalb seiner liegt, und sich selbst als Teil einer höherstufigen Modellwelt konzeptualisieren, die einem fiktiven externen Beobachter auf noch höherer Stufe eine anschließbare Exoseite bietet. Bei der Ausdifferenzierung von Beobachtungsebenen läßt sich zugleich die Ebenendifferenzierung Luhmanns wie die Beobachter-Beobachtungsmodell-Relation Rösslers berücksichtigen.
Ungewöhnlich von Luhmanns an vorgegebenen sozialen Systemen orientiertem Standpunkt aus ist, daß Rössler „Beobachtungsoperationen“ im Hinblick auf beliebig de- und rekonstruierbare Beobachterkonzepte/-modelle ermöglicht. Konstruktionen wie Rösslers Modelle ebenso wie reaktive Installationen, die solche Modelle umsetzen, lassen sich mit Luhmann als zwar vorfindbare Systeme („System-in-einer-Umwelt“) behandeln, die dennoch als Subsysteme innerhalb umfassenderer (Denk-)Systeme/Modelle rekonstruierbar werden („System/System-Beziehungen“; s. P. Fuchs, N. Luhmann, Reden, s. Anm. 9, S. 212ff). So bringt die Nanophysik zwar ein vorfindbares System zum Vorschein, jedoch gelingt dies nur durch Koppelung der Daten von Rastertunnelmikroskopen mit computergestützten Simulationen: Die Umweltdaten führen zu Reaktionen eines sichtbaren Modells, das keine Welt repräsentiert, sondern eine Welt konstruiert. Auch reaktive Installationenn sind Teile einer Umwelt, solange nur die Oberflächen, die Sensoren für Input und der Output beobachtet werden und die Rekonstruktion des Schaltkreises und der programmbedingten Reaktionsmöglichkeiten außer acht gelassen wird: Aus der Black Box in einer Umwelt werden Rekonstruktionen von Systemkombinationen. ^
(49) „Impliziter“ und „interner Beobachter“: vgl. U. Eco, Im Wald der Fiktionen …, München 1994, S. 9: “ … der Leser ist in einer Geschichte immer präsent, und das nicht nur als Bestandteil im Prozeß des Geschichtenerzählens, sondern auch als Bestandteil der Geschichte selbst.“ Eco unterscheidet den in die Geschichte eingebauten (internen) Beobachter- bzw. Erzählerstandpunkt von der geschichte als Erzählform, die ein Lese- bzw. Beobachtungsverhalten dieser oder jener Art impliziert. ^
(50) A. Kaprow, 18 Happenings in Six Parts, The Reuben Gallery, New York 1959, in: Kat. Happening & Fluxus, Kölnischer Kunstverein, Köln 1970, o.P.; M. Kirby, Happenings, New York 1965, S. 53 – 86; Kat. Fröhliche Wissenschaft: Das Archiv Sohm, Staatsgalerie Stuttgart 1986, S. 36 ^
(51) A. Kaprow, The Legacy of Jackson Pollock (1958), neu in: A. Kaprow, Essays on the Blurring of Art and Life, Berkeley 1993, S. 6; vgl. A. Ehrenzweig, The Hidden Order, s. Anm. 15, S. 118: „The new American painting has ground down all splinters into tachist shreds and textured fragments … But again the picture plane withstands the attacks. Its continuity is emphasized and ripples with a unitary pulse acting right across the entire surface. It was said of the first impact of Jackson Pollock’s painting that it sucked and enveloped the spectator inside the picture plane. This is another instance of the hypnotic quality of fragmented art … In the extreme cases of ‚envelopment’ in modern art this [aesthetic] distance is at last annihilated altogether.“ ^
(52) s. Anm. 29. Kaprow verwendet den Begriff „pulsation“ 1963 in „Impurity“ zur Beschreibung von Pollocks Bildern, neu in: A. Kaprow, Essays, s. Anm. 51, S. 40. Vgl. R. Krauss, The Optical Unconscious, Cambridge/Mass. 1993, S. 303 – 308 zur Relation zwischen Pollocks Drip Paintings, der Wahrnehmungspsychologie Rudolf Arnheims, Anton Ehrenzweigs Psychologie und Sigmund Freunds Begriff des „Ozeanischen“. ^
(53) „oneness“ und „otherness“: A. Ehrenzweig, The Hidden Order, s. Anm. 15, S. 119 ^
(54) vgl. M. Fried, Art and Objecthood (1967), neu in: Minimal Art …, Hg.: G. Battcock, London 1969, S. 125 – 128, 134, 137f, 142 – 146 ^
(55) zu Kaprow s. Anm. 51 und zu Ehrenzweig s. ders., The Hidden Order, s. Anm. 15, S. 94: „Pictorial space and musical space have the same capacity for compression and simultaneous expansion, stability within constant change, envelopment and repulsion. The pictorial space of great painting repels and envelops us.“ ^
(56) S. Naifeh, G. W. Smith, Jackson Pollock: An American Saga, New York 1989, S. 468 über „Mural“, 1943/44.
1947 betonen Clement Greenberg in seiner Kritik der vierten Pollock-Ausstellung bei „Art of This Century“ und – Greenberg folgend – Jackson Pollock in seiner Bewerbung für ein „Guggenheim Fellowship“ (F. V. O’Connor, E. V. Thaw, Jackson Pollock 1912 – 1956: a cotalogue raisonné …, vol. 4, London 1978, S. 238), wie sehr die Staffeleibilder Wandbilder antizipieren – Greenberg: „Pollock points a way beyond the easel, beyond the mobile, framed picture, to the mural, perhaps – or perhaps not. I cannot tell.“ (C. Greenberg, The Collected Essays and Criticism, vol. 2, Chicago 1986, 1988², S. 125. Vgl. S. Naifeh, G. W. Smith, Jackson Pollock, S. Anm. 25, S. 199 – 209). Dafür exemplarisch sind Gemälde mit rhythmischen Dripping-Spuren in Fries-Formaten ab 1948, z. B. Summertime, Number 9A. (1948); [Horizontal Composition] (um 1949) und Number I, (1952) (Abb. in: F. V. O’Connor, E. V. Thaw, Jackson Pollock: 1912 – 1956, vol. 2, London 1978, S. 246f (Nr. 205), 50f (Nr. 227), 182f (Nr. 358). ^
(57) C. Ratcliff, Jackson Pollock & American Paintings Whitemanesque Expisode, in: Art in America, February 1994, S. 64 ^
(58) T. Mussman, A Comment on Literalness, in: Arts Magazine, February 1968, S. 16 ^
(59) A. Kaprow, The Legacy. s. Anm. 51, S. 5 ^
(60) Zu „flatness“, „optical illusion“ and „frontality“: vgl. u.a. C. Greenberg, Modernist Painting (1961/1965), neu u.a. in: F. Frascina, C. Harrison, Modern Art and Modernism, London 1982, S. 5 – 10, bes. S. 8; C. Greenberg, The Collected Essays and Criticism, vol. 4, Chicago 1993, S. 85 – 94, bes. S. 90; C. Greenberg, The Crisis of the Easel Picture (1948), in: ders., s. Anm. 56, S. 221 – 225, M. Fried, Three American Painters, in: Kat. Three American Painters, Harvard University, Fogg Art Museum, Cambridge/Mass. 1965, S. 14; M. Fried, Shape as Form: Frank Stella’s New Paintings, in: Artforum, November 1966, S. 18 – 27; R. Krauss, On Frontality, in: Artforum, May 1968, S. 40 – 46. Die KritikerInnen des „modernism“/“formal criticism“ Greenberg, Fried und Krauss (in frühen Artikeln) sehen abstrakte Bilder als gelungen, wenn sie einer Beobachterhaltung nichts entgegensetzen, die in einer Zwischenposition verharrt, sich weder auf „otherness“ noch auf „oneness“ einläßt: Sie fixieren den Blick auf das Bild und grenzen die Relation zum Realraum aus, doch tun sie dies so, daß sie nicht in den Bildraum eintauchen bzw. sich nicht als vom Bildraum (wie Kaprow bei Pollock) umgeben betrachten müssen. Die Wahl des Formats spielen für eine „allover“-Struktur mit einem Bildraum eine große Rolle, der den Beobachter optisch umgibt bzw. dessen Selbstverortung im Realraum beeinflußt. Die hier vorgeschlagene Rezeptionsweise überschreitet die statische Beobachterposition der KritikerInnen des „modernism“ vor dem Werk („frontality“) durch eine Bewegung zwischen Raumbild udn Bildraum in der Zeitdimension. Die Synamisierung des Beobachters erlaubt, das Werk sowohl im Ausstellungskontext (Raumbild) wie von diesem isoliert (Bildraum) zu betrachten: Der Beobachter switcht zwischen Raumbild und Bildraum: vom Raumbild zum Bildraum und umgekehrt. ^
(61) C. Greenberg, After Abstract Expressionsm (1962), neu u.a. in: Kat. New York Painting and Sculpture: 1940 – 1970, The Metropolitan Museum of Art, New York 1970, S. 368, 370; C. Greenberg, The Collected Essays, vol. 4, s. Anm. 60, S. 130f, 132 ^
(62) Newman über „scale“ und „size“: B. Newman, Selected Writings and Interviews, New York 1990, S. 186, 198f, 252f, 271f, 292, 301; vgl. A. Mackie, Art/Talk …, New York 1989, S. 150 – 167. Newman über die Beziehung zwischen „environment“ (Raumbild) und „sense of space“ (Bildraum): „Anyone standing in front of my paintings must feel the vertical domelike vaults encompass him to awaken an awareness of his being alive in the sensation of complete space. This is the opposite of creating an environment. The environment is separate from the painting. A painter friend, [Gerome] Kamrowski, said it well: he said my paintings are hostile to environment. The room space is empty and chaotic, but the sense of space created by my painting should make one feel, I hope, full and alive in a spatial dome of 180 degrees going in all four directions“ (B. Newman, Selected Writings, so.o., S. 250). Der Beobachter wird nach Newman erst dann, wenn er den Realraum mental ausblendet, fähig, sich auf den Bildraum zu konzentrieren – anders ausgedrückt: In der Relativierung der Selbstverortung zwischen Raumbild und Bildraum wechselt der Beobachter die Innen/Außen-Zuschreibung: Die Selbstverortung im Raumbild „außen“ dient der Selbstverortung im Bildraum ‚innen‘, während im „environment“ das Raumbild ‚innen‘ und der Bildraum ‚außen‘ erscheint. ^
(63) B. Newman, Selected Writings, s. Anm. 62, S. 178 ^
(64) A. Kaprow, Impurity, s. Anm. 52, S. 43 ^
(65) Newmans Titel für ein Werk von 1962, Sammlung Annalee Newman, New York. „Stop“ ist Kaprows Begriff für die vertikalen Streifen (Kaprow, A., Impurity, s. Anm. 52, S. 43), die Newman „zip“ nennt. ^
(66) Abb. aller erwähnten Werke Newmans in: Barnett Newman, T. B. Hess, Museum of Modern Art, New York 1971, Farbill. zwischen S. 48 u. 49, S. 56f, 64, 70, Farbill. zwischen 72 u. 73, 74f, 94f, 98 – 102, 116 – 119, 127, 135 ^
(67) O. Wiener, Probleme der künstlichen Intelligenz, Berlin 1990, S. 25, vgl. S. 24: „Das globale Gefühl des Geführtwerdens durch etwas Fremdes, nicht so unmittelbar Bedeutungstragendes – über ganze Strecken hin überlasse ich mich Wegweisern, die mit der Landschaft selbst, wie ich sie überblicken kann, nichts zu tun haben.“ Der Prozeß der Generierung von „Wendemarken“ oder nicht-trivialen „cognitive maps“, die „gefaltete Strukturen“ voraussetzen (S. 77), läßt sich mit Wiener als „Falten einer Zeichenkette unter Nebenbedinungen“ (S. 86) bezeichnen. Vgl. S. 147 mit Anm. 21: „Das Hin-und-her zwischen Zeichen und ihren in der Zeichenmanipulation verborgenen Strukturen spiegelt eine Eigenschaft der menschlichen kreativen Maschinerie wider, welche häufig als eine Einschränkung bezeichnet wird, nämlich die beschnittene Kapazität des Schirms …“ Der Beobachter in den oben erwähnten Closed Circuits Weibels läßt sich als eine solche „menschliche kreative Maschine“ beschreiben, die aus dem, was sie im Raum sieht, und dem, was sie an Schaltkreisfunktionen erschließt, „Zeichenketten“ bildet, diese durch Verschieben zu „Epi-“ und „Parastrata“ faltet und zu „Wendemarken“ kompaktiert, die sich umgebungsbedingt ausfalten und transformieren lassen. Die „beschnittene Kapazität des Schirms“ besteht sowohl in den menschlichen Sensoren, die z.B. auf einen bestimmten Lichtwellenbereich limitiert sind, als auch in mentalen Möglichkeiten der „Wendemarken“ – Generierung. ^
(68) J. Simmen, Vertigo: Shwindel in der modernen Kunst, München 1990, S. 18 – 23 ^
(69) T. van Doesburg, Malerei und Plastik (1926/27), neu in: De Stijl: Schriften und Manifeste, Hg.: H. Bächler, H. Letsch, Leipzig/weimar 1984, S. 203 ^
(70) vgl. G. Colombo, o.T., 1969: Environment aus elastischen Raumstrukturen und blitzartigen Lichtprojektionen, in: Kat. Räume und Environments, Städtisches Museum Leverkusen, Schloß Morsbroich 1969, S. 94ff, 150ff ^
(71) Beispiele: S. Kubota, Adam und Eve, 1989 – 91, Abb. in: Kat. Skikego Kubota: Video Sculpture, American Museum of the Moving Image, New York 1991, S. 66f; B. Nauman, Shadow Puppetts and Instructed Mime, 1990, in: Kat. Bruce Nauman: Skulpturen und Installationen 1985 – 1990, Museum für Gegenwartskunst, Basel 1990, S. 100 – 103; H. H. Baumann, N. J. Paik, Laser Video Space 1, 1980, in: Paik-Video, E. Decker, Köln 1985, S. 102 ^
(72) Direkt im Anschluß an minimalistische Vorgehensweisen überführen Robert Irwin, James Turrell und Douglas Wheeler in einigen ihrer Installationen den Realraum mittels Lichtführung (nicht immer mit Kunstlicht, auch mit Sonnenlicht, also werkexterner Lichtquelle, aber werkinterner Lichtführung) in einen Bildraum: G. Gelant, Das Bild einer Geschichte 1956/1976: Die Sammlung Panza di Biumo, Mailand 1980, S. 318 – 336; R. Krauss, Overcoming the Limits of Matter: On Revising Minimalism, in: Studies in Modern Art 1: American Art of the 1960s, Hg.: J. Elderfield, The Museum of Modern Art, New York 1991, S. 123 – 141; J. Butterfield, The Art of Light and Space, New York 1991, S. 16 – 130 ^
(73) J. Turrell, Space Division Pieces: Prado Series, 1975 – 89, in: C. Adcock, James Turrell …, Berkeley, Los Angeles 1990, S. 143 – 147, pl. 9, 10 ^
(74) Christian Möllers Space Balance wurde 1992 mit einem Programm an der Linzer Donaulände installiert, das auch der Raumwelt-Simulation in Zur Rechtfertigung … zugrunde liegt. In Space Balance sind Körper- und Sehbewegung über eine bewegbare Brücke, über die der Beobachter eine reaktive Raumsimulation steuert, rückgekoppelt an den Bildraum. Die Selbstlokalisierung im Bildraum ist kombiniert mit der Gleichgewichtssuche auf dein labilen Brückenhoden im Realraum: „Der Betrachter steht im virtuellen Raum.“ (Kat. Ars Electronica 92, s. Anm. 8, S. 158) In Zur Rechtfertigung … wird die Kontrollierbarkeit der Steuerung des Programms ebenso infrage gestellt wie in Space Balance. Im Unterschied zur Überlagerung von Bild- und Realraum in Space Balance zwingt Zur Rechtfertigung … den Beobachter zu einer Trennung von Bildraum und Raumbild und offeriert Kombinationsmöglichkeiten des Getrennten. ^
(75) „Polykontexturalität“: G. Günther, Lift as Poly-Contexturality, in: Ders. Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen Dialektik, Bd. 2, Hamburg 1979, S. 283 – 306; Technologische Zivilisation und transklassische Logik …, Hg.: K. Klagenfurt, Frankfurt a. M. 1995, S. 76, 80f, 97, 102, 107, l34f, 140f; N. Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, s. Anm. 9, S. 303, 308, 392, 485, 494f, 499; N. Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, s. Anm. 9, S. 629, 666; P. Fuchs, N. Luhmann, Reden und Schweigen, s. Anm. 9, S. 15, 45, 99f, 154ff
Zur Relation von Videokunst und Narzißmus: R. Krauss, Video: The Aesthetics of Narcissism (1976), neu in: New Artists Video …, Hg.: G. Battcock, New York 1978, S. 43 – 64
(76) In Deckenfresken des Rokoko werden Rahmen sowie Stuckfiguren und illusionistisch gemalte Figuren und Architekturen am Bildrand als Schnittstellen zwischen Raumbild und Bildraum eingesetzt. In Cosmas Damian Asams „Weihnachtsvision des heiligen Bernhard“ im Langhaus der ehemaligen Zisterzienser-Stiftskirche in Aldersbach (1720 – 21) dient die Sitzfigur des heiligen Bernhard als Einstieg in den durch einen Stuckrahmen und eine illusionistische Balustrade vom Umraum abgegrenzten und autonomen, nicht (mehr) die Realarchitektur fortsetzenden Bildraum (H. Bauer, Rokokomalerei: Sechs Studien, München 1980, S. 60f, 63, 99f; B. Rupprecht, Die Brüder Asam: Sinn und Sinnlichkeit im bayerischen Barock, Regensburg 1980, S. 82f; Cosmas Damian Asam 1686 – 1739: Leben und Werk, Hg.: B. Bushart, B. Rupprecht, München 1986, S. 24f, 30, 32, 215 – 218, Nr. F VIII/2; H. Trottmann, Cosmas Damian Asam 1686 – 1739: Tradition und Invention im malerischen Werk, Nürnberg 1986, S. 75ff, Abb. 51). Am Hochaltar der Benediktinerklosterkirche St. Georg und St. Martin in Weltenburg (Brüder Asam, ab 1716) wird das Fresko der Maria Immaculata hinter der Skulptur des heiligen Georg indirekt durch seitliche Fenster beleuchtet. Die als Schattenumriß im Gegenlicht erkennbare Skulptur wird zur Schnittstelle, zur optischen Überführung in den erhellten Bildraum hinter ihr (B. Rupprecht, Die Brüder Asam, s.o., S. 88 – 89; Cosmas Damian Asam, Hg.: B. Bushart, B. Rupprecht, s.o., S. 25, 220 – 223, Nr.F X/5). Im Aufstieg des Treppenhauses der Würzburger Residenz (von Balthasar Neumann, 1735 – 44) erschließt sich dem Beobachter Giovanni Battista Tiepolos Deckenfresko der Glorie des Fürstbischofs Carl Philipp von Greiffenclau mit den vier Erdteilen (1752 – 53) schrittweise: Der Beobachter kann seine Bewegung im Realraum mit der Selbstverortung im Bildraum koordinieren (G. Bott, Giovanni Battista Tiepolo: Das Fresko im Treppenhaus der Würzburger Residenz, Stuttgart 1963; F. Büttner, W. C. Mülbe, Giovanni Battista Tiepolo: Die Fresken der Residenz in Würzburg, Würzburg 1980, S. 93 – 144, bes. 5. 142). Diese Fresken des Rokoko teilen mit Zur Rechtfertigung … die Ausgrenzung von Real- und Bildraum (Aldersbach), die Koordination der Bewegung des Beobachters im Realraum mit der Wahrnehmung des Bildraums (Würzburg) und den lichtemittierenden Bildraum (Weltenburg). Zur Rechtfertigung … unterscheidet sich von der Beobachtersituation dieser Rokokofresken durch den Verzicht auf Protagonisten an der Schnittstelle zwischen Real- und Bildraum (hl. Bernhard in Aldersbach und hl. Georg in Weltenburg), durch sich in der Zeitdirnension entfaltende Bildräume, durch die Pluralität der Bildräume/-welten im selben Realraum, Reaktivität und „Viabilität“. Der Verzicht auf Mittel des Rokoko wie Protagonisten am Rande des Bildraums und architektonische Inszenierung in Zur Rechtfertigung … ist die Voraussetzung für die angestellten Vergleiche mit Allover und Farbfeldmalerei (S. 48ff). Die zum Vergleich herangezogenen Licht(bild)installationen dagegen rekonstruieren mit zeitgenössischen Mitteln Übergänge zwischen Real- und Bildraum, wie sie in Fresken des Barock und Rokoko bereits antizipiert sind. ^